Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 139. Sitzung / 125

qualität Österreichs für die Zukunft gesichert ist, damit es mehr Arbeitsplätze gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Van der Bellen. Maximale Redezeit auch für ihn 10 Minuten. – Bitte.

16.25

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch ein bißchen kritischer als Kollege Nowotny auf die heutige Dringliche des Liberalen Forums eingehen.

Sie haben sehr ausführlich und immer wieder in verschiedenen Zusammenhängen das Wort "Verteilungsgerechtigkeit" verwendet und ins Spiel gebracht. In Wirklichkeit glaube ich, daß Sie im wesentlichen Klientelpolitik betreiben, die man allerdings nicht unter dem Flaggschiff "Verteilungsgerechtigkeit" laufen lassen sollte. Gegen Klientelpolitik ist ja im Prinzip nichts zu sagen, nur sollten Sie diese offen betreiben und nicht versteckt. (Abg. Mag. Peter: Kennen Sie unsere Klientel?) Ich werde laufend darauf zurückkommen!

Ich möchte vorweg auch sagen, daß wir selbstverständlich in sehr vielen Punkten Ihrem Papier zustimmen, zum Beispiel der textlichen Einleitung, in welcher erwähnt wird, daß die Sparpakete I und II zur höchsten Abgabenquote der Zweiten Republik geführt haben. Das ist unbestritten und unbestreitbar. Und auch die Tatsache, daß die Bundesregierung mit politischen Konzepten für eine hinreichende ausgabenseitige Konsolidierung säumig ist, ist unbestreitbar. Und es findet sich in Ihrem Papier auch ein interessanter Hinweis auf die Parallelstrukturen, Doppelgleisigkeiten zwischen Finanzbehörden und Sozialversicherungsträgern. In vielen solcher Details kann ich durchaus mit Ihnen mitgehen. (Abg. Smolle: Im Herzen sind Sie ja ein Liberaler!)

Ich konzentriere mich jetzt aber auf die meiner Meinung nach einseitigen Darstellungen in Ihrem Papier und auf die Auslassungen. Gerade durch das, was Sie nicht sagen, betreiben Sie in Ihrem Papier mehr Klientelpolitik als etwas anderes. Zur Frage der Begünstigung des 13. und 14. Gehalts hat Kollege Nowotny schon Stellung genommen. Die Grünen haben immer wieder darauf hingewiesen, daß die Begünstigung des 13. und 14. Gehaltes natürlich vor allem eine Begünstigung der hohen und höchsten Einkommen im Bereich der Unselbständigen und somit eine überproportionale Begünstigung dieser Gehaltsbezieher darstellt und daß eine Lohnsteuerreform zugunsten der unteren und mittleren Einkommen daran etwas ändern sollte. Sie tun jedoch etwas ganz anderes: Sie wollen die Begünstigung des 13. und 14. Gehaltes abschaffen und damit eine allgemeine Tarifsenkung finanzieren, die allen möglichen Leuten zugute kommt, nicht nur den Arbeitnehmern, sondern selbstverständlich auch den Selbständigen und Gewerbetreibenden. Dadurch würde der Spitzensteuersatz bei den Selbständigen von 50 Prozent auf 40 Prozent sinken und bei den Unselbständigen von rund 43 auf 40 Prozent. Der Unterschied ist also, daß die Senkung bei den Selbständigen 20 Prozent beträgt und bei den Unselbständigen rund 7 Prozent. Daher weiß ich nicht, warum das unter dem Stichwort "Verteilungsgerechtigkeit" laufen soll. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich begrüße an sich die Nennung des Stichwortes "Verteilungsgerechtigkeit", die ich befürworte. Aber wenn Sie wirklich über Verteilungsgerechtigkeit reden wollen, dann bitte ich Sie, wenn Sie mehrfach in Ihrem Papier auch den letzten OECD-Bericht über Österreich zitieren, diesen vollständig und nicht selektiv zu zitieren. Sehen Sie sich zum Beispiel – ich greife das jetzt ziemlich willkürlich heraus – auf Seite 75 der deutschen Ausgabe die Tabelle mit dem Titel "Grenzsteuersätze nach Einkommensniveau" an: Dort können Sie etwas Verblüffendes feststellen. Für mich ist tatsächlich verblüffend, daß man bei der OECD, bei welcher es sich ja nicht um irgendwelche Vollkoffer von gestern handelt, feststellt, daß die Grenzsteuersätze in Österreich im Gegensatz zu fast allen anderen OECD-Ländern fallend sind, daß wir – allgemein ausgedrückt – eine regressive Einkommensteuerstruktur haben, fallend von 47,5 Prozent für Schlechtverdienende auf 35,7 Prozent für Gutverdienende. – Das sind die Probleme, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen im Bereich der Verteilungsgerechtigkeit!


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