Oder warum ist Ihnen die Aussage der Tabelle auf Seite 71 nicht aufgestoßen? Die Tabelle trägt den Titel "Effektive durchschnittliche Steuersätze auf Kapital, Arbeit und Umsatz". In Österreich ist die effektive Durchschnittsbesteuerung der Arbeit derzeit doppelt so hoch wie die des Kapitals. Das sind doch wesentliche Stichworte, wenn Sie schon "Verteilungsgerechtigkeit" anschneiden! Das kommt aber weder in Ihrem Text noch bei den Anfragen im einzelnen vor.
Sie übernehmen die eine Kapitelüberschrift, die lautet: "Hohe steuerliche Belastung des Faktors Arbeit". Das ist eh klar, das wissen wir! Aber die nächste Kapitelüberschrift der OECD – es handelt sich hiebei nicht um irgendein Papier des "Roten Börsenkrach" – zitieren Sie nicht, denn diese lautet: "Niedrige effektive Besteuerung von Vermögenseinkommen". – Ich warte darauf, daß Sie dazu Stellung nehmen! (Abg. Smolle: Sie müssen unser Gesamtkonzept lesen!)
Ich muß nicht Goethe vorwärts und rückwärts lesen! Wenn Sie eine dringliche Anfrage einbringen, dann lese ich den Text Ihrer dringlichen Anfrage – denn das können Sie mit Fug und Recht erwarten – und die Fragen. Den Rest schicken Sie mir bitte nach Hause beziehungsweise lieber ins Büro, dann lese ich das bei Gelegenheit! (Beifall bei den Grünen.)
Reden wir über Verteilungsgerechtigkeit! Nehmen wir die OECD-"Revenue Statistics", letzte Ausgabe August 1998, und schauen wir nach, was Österreich tatsächlich von anderen Ländern unterscheidet! Das ist ja hochinteressant! Auch der Laie stellt fest – er braucht dafür nur ein bißchen Gespür für Zahlen –, daß beispielsweise das österreichische Abgabensystem insgesamt nicht progressiv sein kann, sondern bestenfalls proportional, aber wahrscheinlich regressiv ist. Das heißt, daß von den unteren Einkommen mehr Steuern bezahlt werden müssen als von den oberen.
Das ist halt auch eine Folge – muß ich sagen – sozialdemokratischer Finanzpolitik, denn schließlich haben Sie jetzt 28 Jahre lang den Finanzminister gestellt. Das sollte man in diesem Zusammenhang auch erwähnen. Die Österreicher wissen folgendes nicht: Die Österreicher ächzen und krächzen immer unter der Progressivität der Lohn- und Einkommensteuer. Diese gibt es, das stimmt. Aber die Progressivität der Lohn- und Einkommensteuer wird konterkariert durch alle anderen Abgaben, darunter vor allem die Sozialversicherungsabgaben, die proportional beziehungsweise ab der Höchstbeitragsgrundlage regressiv wirken.
Vom quantitativen Gewicht her sieht man das auf den ersten Blick: Die Sozialversicherungsabgaben sind in Österreich mittlerweile weit gewichtiger als sämtliche einkommensbezogenen Steuern, das heißt, Lohnsteuer, Einkommensteuer, KESt und Körperschaftsteuer zusammengenommen machen weniger aus als die Sozialversicherungsbeiträge. All das kann man mit Zahlen aus anderen EU-Staaten vergleichen, um zu sehen, inwiefern sich Österreich auf diesem Gebiet unterscheidet.
Die Vermögensteuer hat Sie offenbar nicht interessiert, denn diese kommt in Ihrem Papier nicht vor! Die Tatsache, daß die Vermögensbesteuerung, die typischerweise Bezieher höherer Einkommen betrifft, in Österreich traditionell weitaus niedriger ist als im EU-Durchschnitt, inzwischen "natürlich" weiter "fallend", weil wir ja genialerweise die Vermögensteuer abgeschafft haben, und inzwischen alles in allem ein Drittel des EU-Durchschnittes ausmacht, ein Viertel der Werte der Schweiz – eines "ursozialistischen" Landes bekanntlich –, ein Fünftel der Werte der USA – da müssen auch irgendwelche Börsenkrachler am Werk sein! –, ein Sechstel des Vereinigten Königreiches – Thatcher-Regierung ist spurlos vorübergegangen! –, all das sind doch Phänomene, über die man im Rahmen der Verteilungsgerechtigkeit diskutieren sollte. Darüber sollte man reden, aber nicht beschränkt auf die Abschaffung eines Steuerprivilegs der Unselbständigen zugunsten einer Tarifsenkung für die Selbständigen. Das allein kann es doch wohl nicht sein!
Ich habe es auch ein bisserl bedauert, daß Sie nur mit einer einzigen Frage auf die Ökologisierung des Steuersystems eingegangen sind, mit einer Frage von 21. Früher einmal haben wir gewissermaßen Hand in Hand dafür gekämpft, jetzt scheint das für Sie kein Thema mehr zu sein. Bei dieser Gelegenheit, Frau Dr. Schmidt, möchte ich Sie fragen: Merken Sie nicht, wie die Steuerreformdiskussion verflacht? Merken Sie nicht, wie Sie sich in diese Tradition schon ein