Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 139. Sitzung / 144

wird dort praktisch geparkt, schubladisiert und ist im Prinzip bis auf den Sankt Nimmerleinstag zum Verschimmeln verurteilt. Das ist natürlich nicht der Weisheit letzter Schluß. Wenn Sie schon in der Lehrlingsfrage nichts weiterbringen, dann wäre es wenigstens sinnvoll, einen Antrag der Opposition im Ausschuß zu behandeln.

Herr Abgeordneter Trinkl hat in seinen Ausführungen hier gesagt, die Volkspartei sei immer bestrebt gewesen, Hindernisse zu beseitigen, die Betriebe abhalten, Lehrlinge einzustellen. Es wird wohl so sein, daß man dahingehend arbeitet, aber bewirkt haben Sie bisher noch nichts damit. Das kann man feststellen, wenn man sich die heutigen Zahlen anschaut: Ende August ist wiederum ein Sinken der Zahl der offenen Lehrstellen zu verzeichnen gewesen, und zwar um 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Wir haben heute 2 721 verfügbare Lehrplätze. Das sind exakt um 873 weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Dem stehen 8 872 lehrstellensuchende Jugendliche gegenüber. Diese lehrstellensuchenden Jugendlichen sind heute zum größten Teil weiblich, nämlich 5 353. Dazu kommen noch 3 519 Burschen, die heute einen Lehrplatz suchen, aber keinen bekommen.

Ich habe hier eine Bewerbung eines Mädchens aus Oberösterreich, das Bürokaufmann lernen wollte. Es hat mir sein Bewerbungsschreiben zukommen lassen. Anstatt des Polytechnischen Lehrganges hat es eine Klasse in der Handelsschule besucht und sich anschließend bei 80 Firmen um eine Lehrstelle als Bürokauffrau beworben. Es hat von über 50 Firmen eine Absage erhalten, und jetzt bekommt es vom Arbeitsmarkt seit zwei Monaten keine Adressen mehr zugeschickt, wo es sich bewerben kann. Laut Auskunft des Arbeitsmarktservices wird sich an dieser Situation auch in nächster Zukunft kaum etwas ändern. Dieses Mädchen ist verzweifelt, ist verzagt und hat kaum noch Hoffnung, einen Lehrplatz zu finden.

Das müßte uns doch zu denken geben, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Lehrstelle als Bürokauffrau müßte doch zu bekommen sein. Es ist mir einfach unverständlich, daß man in der heutigen Zeit in diesem Bereich keine Chance hat.

4 000 junge Menschen konnten im Vorjahr nicht vermittelt werden. Sie scheinen aber heuer in der Statistik gar nicht mehr auf. Sie scheinen natürlich auch in der Arbeitslosenstatistik nicht auf, weil sie noch nie versichert waren, weil sie noch keine Versicherungszeiten erworben haben. Das ist der Graubereich in der Arbeitslosenstatistik. Diese Arbeitslosen haben wir noch zusätzlich. Die Zahl der Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz ist also nicht kleiner geworden, sondern bleibt gleich oder ist eher noch größer geworden.

Das Versprechen unseres Bundeskanzlers im vergangenen Jahr, daß jeder junge Mensch einen Ausbildungsplatz erhalten werde, wurde – oder wenn Sie so wollen – konnte ganz einfach nicht eingehalten werden. Im Bereich der Lehre hat die österreichische Bundesregierung bis auf Ankündigungen und Alibiaktionen bisher im Prinzip nichts weitergebracht. Mit den Schlagworten "Karriere mit Lehre", "Lehrlingspaket", "Schwerpunktprogramm" oder "Lehrlingsoffensive" wurden Maßnahmen vorgegaukelt, die es in Wirklichkeit nicht gab.

Zu den Äußerungen gewisser Personen, daß die Lehrlings-Hotline ein Erfolg gewesen wäre, muß ich sagen: Das ist Ansichtssache, denn wenn in ganz Österreich nur 154 Betriebe und 600 Lehrlinge mitmachen, also pro Bundesland 17 Betriebe und 66 Lehrlinge, so sehe ich darin keinen Erfolg. Diese Lehrlings-Hotline hat nichts anderes gebracht als einen Wildwuchs an Förderungen. Gewinner waren jene Betriebe, die lange gewartet haben und junge Leute spät eingestellt haben, um eine Förderung bis zu 20 000 S pro Lehrplatz lukrieren zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben damit allerdings auch erreicht, daß jene Betriebe verärgert worden sind, die bisher immer kontinuierlich Lehrlinge ausgebildet und Lehrplätze zur Verfügung gestellt haben. Diese Betriebe sind jetzt zunehmend verärgert. Und nun schickt man die Lehrlinge, wie Herr Trinkl vorhin richtigerweise gesagt hat, in Stiftungen und andere Ausbildungsstätten, damit man die Ausbildung nicht selbst bezahlen muß.


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