Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 139. Sitzung / 168

Dort geht das soweit, daß das Intimleben eines Präsidenten über Internet in der ganzen Welt veröffentlicht wird, daß das Privatleben eines Politikers nichts mehr zählt. So dumm sich der Mann verhalten haben mag in dieser Causa, aber das kann doch nicht das demokratische Verständnis sein!

Auf der anderen Seite werden hier in Österreich elf Menschen verschüttet, werden vier Menschen ermordet, und die Volksvertretung verlangt nach einer Untersuchung, aber Sie sagen: Nein, njet! Herr Khol sagt: Nein, ich will keine Untersuchung. Die Demokratie ist bestimmt durch die Mehrheit, und ich bin Teil der Mehrheit, und ich verhindere, daß es Untersuchungsausschüsse gibt.

Meine Damen und Herren! Dieses Demokratieverständnis erfordert Widerspruch und Widerstand durch die Opposition. Auf der einen Seite kann es – wie beispielsweise gestern – passieren, daß hier Herr Abgeordneter Haider von diesem Rednerpult aus aus einem geheimen Dokument berichtet und ohne Probleme zitiert, welche Schuldenverhältnisse ein anderer Abgeordneter hat. Er liest das genüßlich – nicht einmal, nicht zweimal, sondern dreimal – vor, er weidet sich daran. Dann gibt es auch noch eine Auseinandersetzung mit dem Innenminister, der sagt: Herr Heindl hat nichts bestritten.

Das wird hingenommen. Ich frage Sie aber: Warum wird das hingenommen? Ist es nur der Mißbrauch von einigen Beamten, die den oppositionellen Freiheitlichen etwas zuspielen, und der Mißbrauch eines Abgeordneten hier von diesem Rednerpult aus, oder ist es vielleicht auch Ihre Verantwortung, daß jene Institute, die dafür vorgesehen sind, ausschließlich zu Teilnehmern von Sitzungen degradiert werden, in denen nichts passiert?

Wir haben einen Ausschuß für die Kontrolle der Nachrichtendienste. Wir haben einen Ausschuß, in dem der Landesverteidigungsminister Auskunft geben sollte. Wir haben Ausschüsse, die dafür offiziell vorgesehen sind. Herr Kollege Schieder und Herr Kollege Khol, um wieder beim Zynismus zu bleiben: Unsere Fraktion hat wesentlich dazu beigetragen, daß eine Strafverschärfung für Indiskretionen in Ausschüssen erfolgt, daß ein Parlamentarier seine Immunität sofort verliert, wenn er Daten weitergibt, die Personen in Gefahr bringen. Selbstverständlich kann es bei Nachrichtendiensten passieren, daß eine Person durch eine Indiskretion aus einem Ausschuß in Lebensgefahr kommt. Selbstverständlich soll da die Härte des Gesetzes zur Anwendung kommen.

Was aber machen Sie als Entgegenkommen? – Sie sorgen dafür, daß in diesen Ausschüssen nichts mehr gesagt wird. Ich kann in jeder Zeitung nachlesen, was dort die Minister erzählen. Und dann wundern Sie sich, wenn Herr Abgeordneter Haider mit seinen Kontakten zu den blauen, oder welche Farbe auch immer, Polizeiapparaten Dokumente bekommt, durch die er die privaten Einzelheiten von Mitgliedern dieses Hauses ausbreiten kann – und zwar ohne irgendeine Reaktion!

Meine Damen und Herren! Sie ruinieren auf der einen Seite die korrekten Kontrollinstitute und wundern sich auf der anderen Seite darüber, daß die Beschaffung von indiskreten Materialien, von Geheimpapieren, von Personalakten routinemäßig in diesem Land vollzogen wird!

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen: Das, was in diesem Land passiert, passiert immer als Reaktion. Das, was die FPÖ in ihrer Übertreibung und oft in ihrer Bösartigkeit, in ihrer Brutalität und in ihrem Populismus tut (Widerspruch bei den Freiheitlichen), meine Damen und Herren, ist auch eine Reaktion auf die Ignoranz vieler Teile in diesem Haus.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schieder! Lesen Sie nach, was Präsident Fischer damals in seinen Schriften geschrieben hat! Lesen Sie nach, Herr Khol, was Präsident Neisser damals in seinen Schriften über den Untersuchungsausschuß geschrieben hat! Und setzen wir uns dann zusammen, mit den Liberalen, mit den Freiheitlichen, mit der ÖVP und mit der SPÖ, entweder im Ausschuß oder im Geschäftsordnungskomitee, wie es gute Tradition war in diesem Haus, und beraten wir darüber, wie wir den Mißbrauch minimieren und den Nutzen für die Demokratie optimieren können!


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