Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 141. Sitzung / 33

Ich bin der Auffassung, daß die Opfer einen Anspruch darauf haben, daß die politische Verantwortung geklärt wird (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen), daß die Opfer einen Anspruch darauf haben, daß die Fehlerquellen geklärt werden, daß die Opfer einen Anspruch darauf haben, daß hier darüber nachgedacht wird, wie ähnliche Katastrophen in Zukunft vermieden werden können. Sie reden immer dann von politischem Kleingeld, wenn es um Ihre Verantwortung oder um die Verantwortung Ihrer Regierungsmitglieder geht. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Es ist eine Verhöhnung, wenn sich hier der Klubobmann einer Regierungsfraktion herausstellt und sagt, das Parlament sei säumig gewesen. Dieser Klubobmann setzt sich in der Präsidiale locker hin, mit dem Ausdruck der Arroganz der Macht (Abg. Steibl: Was ist das für eine Sprache? Das ist unerhört!) – das hat mit Mehrheitsverhältnissen überhaupt nichts mehr zu tun –, und sagt: Wir haben halt die Mehrheit! Es geht nicht einmal mehr darum, ob die Opposition auch nur einen Wunsch äußern darf, sie wird nicht mehr ernst genommen. Das hat ein Ausmaß angenommen, das ich in der letzten Zeit nicht mehr gekannt habe. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Jemand, der unter "Parlament" nur mehr die beiden Regierungsfraktionen versteht, für den die Opposition nicht mehr existiert, stellt sich her und sagt, das Parlament sei säumig geworden! Das halte ich für Zynismus. (Abg. Dr. Maitz: Wenn Frau Schmidt von "Arroganz" redet, dann weiß sie, wovon sie redet!) Das halte ich für eine Beleidigung der Opfer, wenn in einer solchen Art und Weise vorgegangen wird. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Es ist vieles gesagt worden, dem ich mich anschließen möchte, ob von seiten des Kollegen Öllinger oder von seiten der Kollegin Langthaler. Ich brauche jetzt nicht "meinen" Abgeordneten, wenn ich das so sagen darf, nämlich Thomas Barmüller zu erwähnen, denn ich glaube, daß er in dieser Frage hier schon oft Sachkompetenz bewiesen hat. Ich stimme sogar dem Kollegen Nürnberger zu, denn ich will nicht nach irgendwelchen Parteizugehörigkeiten urteilen. Aber ich glaube, man sollte noch einen zusätzlichen Aspekt einbringen, und das ist der Aspekt, auf den – und ich sage das noch einmal – die Opfer Anspruch haben, nämlich das Systemversagen am Fall Lassing, am Fall Farnleitner – wie immer Sie ihn nennen wollen – festzumachen.

Ich sehe dabei drei Punkte; es sind zwar mehrere, aber drei Punkte scheinen mir doch besonders erwähnenswert zu sein. Der erste betrifft das österreichische System der Entscheidungsstrukturen. Ich erinnere mich an eine Diskussion, bei der kürzlich Kommissär Fischler gemeint hat, die Stärke Österreichs sei es, daß es so klein sei und daher die Entscheidung flexibler und schneller erfolgen könne. – Diese Aussage hat nicht nur am Podium einen Lacherfolg hervorgerufen, sondern auch im Plenum, denn es wäre eine Stärke, wären die Entscheidungsstrukturen in Österreich auch wirklich danach gerichtet. Die Realität aber ist anders, und auf dieses System der Entscheidungsstrukturen möchte ich zurückkommen. Der zweite Punkt ist das österreichische Verständnis der Ministerverantwortlichkeit, und der dritte Punkt ist das österreichische System der Kontrolle.

Das Verständnis der Ministerverantwortlichkeit ist schon ein sehr österreichisches. Wenn Sie, Herr Bundesminister, sagen, Sie hätten den unbequemeren Weg gewählt, so kann ich das nicht ernst nehmen, denn dann wäre zumindest eines von Ihnen zu erwarten: daß Sie sich auch – ob Sie es nun entscheiden können oder nicht, spielt dabei keine Rolle – dafür einsetzen, daß die Kontrollinstrumente in Gang gesetzt werden, daß Sie einmal deutlich machen, daß Sie einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß für notwendig halten. Wenn Sie selbst sagen, daß Sie den unbequemeren Weg des Verantwortungübernehmens wählen wollen, dann wäre dies zu erwarten.

Ich sehe das aber anders: Ich glaube nicht, daß Sie den unbequemeren Weg gewählt haben, sondern ich halte ihn für den bequemeren. Den belgischen Justizminister hat Frau Kollegin Langthaler schon erwähnt. Es gibt auch einen deutschen Innenminister, der die Verantwortung für das Handeln seines Apparates übernommen hat. In Österreich war es zuletzt Stadtrat Hofmann, der, als vor 20 Jahren die Reichsbrücke eingestürzt ist, zurückgetreten ist.


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