Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 141. Sitzung / 95

Herr Abgeordneter Ofner! Ich sage ganz offen: Der Begriff "Schutzmacht" ist ein bissel mißverständlich. Ich glaube, man sollte ihn aus guten Gründen in diesem Zusammenhang nicht verwenden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Das ist ein völkerrechtlicher Begriff!) Das ist auch ein völkerrechtlicher Begriff, und genau aus diesem Grund meine ich, daß dieser Begriff in diesem Zusammenhang nicht angebracht ist. Aber natürlich soll am Engagement, bilateral alle relevanten Themen der Geschichte aufzuarbeiten, und selbstverständlich an den Rechten österreichischer Staatsbürger nicht gerüttelt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zur Frage 8:

Klar ist, daß bei den Beitrittsverhandlungen der Rechtsbestand der Europäischen Union zur Diskussion steht. Es geht ja auch gar nicht anders! Wir verhandeln über die umfängliche und absolute Übernahme des EU-Rechts in den Rechtsbestand dieser neuen Kandidatenländer. Auch in diesem Zusammenhang verweise ich auf den Avis der Kommission und die Zugehörigkeit beider Staaten zur Europäischen Menschenrechtskonvention sowie die einschlägigen völkerrechtlichen Instrumente.

Ein Eckpunkt im Beitrittsprozeß ist die Heranführungsstrategie gerade im Licht der Rechtsharmonisierung. Dieses Moment fand ja auch Eingang in die Europaabkommen, die mit allen Beitrittskandidaten aus Mittel- und Osteuropa abgeschlossen wurden. Es gibt mit jedem dieser Staaten einen eigenen Unterausschuß des Assoziationsausschusses über die Rechtsangleichung.

In Sachen Vermögensentschädigung der Heimatvertriebenen aus der früheren Tschechoslowakei beziehungsweise aus Jugoslawien setze ich mich bei jedem meiner bilateralen Kontakte mit den Außenministern der beiden Staaten regelmäßig für eine Lösung der noch offenen Fragen ein.

Zur Frage 9:

Während des Zeitraums der österreichischen Präsidentschaft – und die Anfrage zielt ja darauf hin, was ich als Ratsvorsitzender besprechen werde – kann ich nur die gemeinsame Position der Europäischen Union vertreten, was ich auch gerne tue; und es wird auch der österreichische Standpunkt einfließen. Bei den konkreten Verhandlungen, die im November beginnen, wird es um folgende Kapitel gehen: Wissenschaft und Forschung, Telekommunikation und Informationstechnologie, Bildung, Ausbildung und Jugend, Klein- und Mittelbetriebe, Industriepolitik, Kultur- und audiovisuelle Politik, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. – In all diesen Punkten werde ich natürlich die gemeinsame Position der Europäischen Union gegenüber den Beitrittskandidaten formulieren.

Zur Frage 10:

Die ständigen Bemühungen gerade auch der österreichischen Bundesregierung haben zum Beginn eines langsamen Umdenkprozesses in der Tschechischen Republik beigetragen, wobei man durchaus sagen kann, daß dieser bisher zu langsam war. Aber immerhin – auch das sollte vom Hohen Haus registriert werden – mehren sich die Stimmen innerhalb der Tschechischen Republik, die die Rechtmäßigkeit der Beneš-Dekrete in Frage stellen. Denken Sie etwa an die kürzliche Stellungnahme einer Gruppe von tschechischen Intellektuellen! Weiters verweise ich darauf, daß Präsident Havel in einer bemerkenswerten Geste anläßlich des jüngsten Besuchs unseres Bundespräsidenten Thomas Klestil in Prag neuerlich die Vertreibung als unmoralisch bezeichnet hat. (Abg. Mag. Stadler: Das ist ja nichts! Das ist ein Nullum!) Entschuldigen Sie vielmals! Ich finde es absolut positiv, daß der tschechische Staatspräsident dies so sieht, und zwar im Wissen, daß nicht alle Politiker in der Tschechischen Republik und nicht alle Bevölkerungsschichten dieses Landes es so sehen. Ich jedenfalls danke Vaclav Havel dafür. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die österreichischen Bemühungen im Rahmen der bilateralen Kontakte haben weiters dazu geführt, daß Ministerpräsident Zeman bei seinem kürzlichen Besuch in Wien die Einrichtung einer


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