Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 141. Sitzung / 110

erwartet, daß Sie klare und deutliche Worte zu diesen Unrechtstatbeständen finden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was haben Sie gesagt? – Sie haben gesagt – bitte, das ist ja ungeheuerlich! –: Slowenien und Tschechien darf man heute nicht verantwortlich machen für Rechtsakte des Tschechiens der Nachkriegszeit und der Republik Jugoslawien.

Meine Damen und Herren! Herr Außenminister! Das würde, auf Österreich umgemünzt, bedeuten, daß wir nicht verantwortlich sind für die Taten, Rechtsakte und für die Verbrechen, die in Österreich zwischen 1938 und 1945 verfügt und verübt worden sind. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Wir alle haben uns doch Gott sei Dank dazu gefunden (Beifall bei den Freiheitlichen), daß wir selbstverständlich auch eine Mitverantwortung haben (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dr. Schüssel.– Herr Außenminister! –, dieses Unrecht, soweit es geht, wiedergutzumachen.

Sie haben von Denationalisierung gesprochen. Herr Außenminister, Denationalisierung! Die Vertreibung von 3 Millionen unschuldigen Bürgern, denen man zehn Minuten Zeit gegeben hat, die wichtigsten Utensilien, die sie brauchen, zusammenzupacken, die man aus ihren Wohnungen, aus ihren Häusern getrieben hat, die froh sein mußten, wenn sie nicht persönlich attackiert und umgebracht worden sind, nennen Sie Denationalisierung. – Meine Damen und Herren! Das ist eine Verharmlosung, das ist eine Verniedlichung! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das spricht Ihnen jede moralische Kompetenz ab – auch heute –, zu diesen Denationalisierungen, wie Sie sie nennen – wir nennen es ethnische Vertreibungen von Zehntausenden und Hunderttausenden, die auch heute in Europa passieren –, hier das Wort zu ergreifen.

Gerade Sie als Obmann einer Partei, die sich so gerne als Hüterin der Sudetendeutschen und dieser Vertriebenen aufspielt, sollten darauf achten, wenn bei Veranstaltungen der Sudetendeutschen markige Sprüche fallen und Hoffnungen geweckt werden – Hoffnungen, daß jetzt, da die ÖVP seit Jahren in einer Regierung ist, in der Sie das Außenministerium übernommen haben –, daß den Vertriebenen und den Überlebenden von damals endlich Gerechtigkeit widerfährt.

Meine Damen und Herren: Worum geht es denn? Herr Kollege Schieder, Sie haben gesagt, das sei nicht dringlich! – Selbstverständlich ist das dringlich. Für jeden einzelnen dieser mittlerweile schon sehr alten Menschen ist es dringlich, weil sie vielleicht ... (Abg. Schieder: Ich habe das gar nicht gesagt!)

Herr Kollege Schieder! Natürlich: Sie haben die Dringlichkeit dieses Antrages bezweifelt. (Abg. Schieder: Warum bringen Sie es genau jetzt?) – Wir bringen es nicht gerade jetzt, sondern wir haben Monate und Jahre versucht (Abg. Schieder: Unerfahren tanzen Sie da herum!), im Außenpolitischen Ausschuß und im Hauptausschuß all diese Anträge einzubringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie haben jeden dieser Anträge abgelehnt!

Für jeden dieser Überlebenden ist es dringlich, daß er endlich – 50 Jahre nach diesem Unrecht! – Gerechtigkeit erfährt. Und nur darum geht es: daß ihm Gerechtigkeit widerfährt, daß zugegeben wird – auch von den Staaten Tschechien und Slowenien –, daß das damals Verbrechen waren und daß diese nicht zulässig sein können! Es würden sich diese Österreicher, die so sehr am Aufbau dieser Republik mitgearbeitet haben, heute erwarten, daß Sie als Außenminister und die Bundesregierung, aber auch dieses Parlament, darauf drängen, daß die Beneš-Dekrete und die AVNOJ-Bestimmungen, die die Rechtsgrundlage für die Vertreibung, für die Ermordung und für die Enteignung waren, außer Kraft gesetzt werden und daß es diesbezüglich eindeutige Aussagen dieser Regierungen gibt.

Es wird gesagt: Das kann man nicht vergleichen und nicht verquicken mit dem EU-Beitritt. – Meine Damen und Herren! Herr EU-Ratspräsident Schüssel! Können Sie es als EU-Vertreter zulassen, daß in die europäische Staatengemeinschaft, in die Gemeinschaft demokratischer Staaten, ein Land, das Unrechtstatbestände dieser Art duldet, aufgenommen wird? – Lesen Sie doch die Erfahrungsberichte, unter welchen Umständen diese Menschen damals gefoltert und ermordet worden sind! Können Sie es zulassen, daß ein Saat, in dem derartige Rechtsbestände nach wie vor in Geltung sind, in diese demokratische Staatengemeinschaft aufgenommen


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite