Meine Damen und Herren! Vieles, was in diesem gewalttätigen Jahrhundert an Unrecht geschehen ist, kann nicht wieder gutgemacht werden, aber jeder von uns kann dazu beitragen, daß diese Verbrechen für immer der Vergangenheit angehören. Deswegen ist die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit so wichtig und notwendig. Ich bin daher sehr froh darüber, daß viele Staaten Europas begonnen haben, noch vorhandene dunkle Kapitel ihrer Vergangenheit aufzuarbeiten. Offenheit in allen Fragen ist notwendig, um einen gemeinsamen Weg in die Zukunft beschreiten zu können.
In diesem Bewußtsein wurde im Jahre 1997 die Versöhnungserklärung zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik unterzeichnet und in diesem Bewußtsein hat ja auch vor kurzem Bundeskanzler Klima mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Zeman die Einsetzung einer Historikerkommission zur Aufarbeitung der Vergangenheit besprochen.
Als selbstbewußter demokratischer Staat stellt sich Österreich seiner Vergangenheit. Ich bin überzeugt davon, daß auch die Tschechische Republik ein neues Kapitel im Umgang mit noch offenen Fragen zur eigenen Vergangenheit aufschlagen wird. Auch die Prager Regierung sollte nachdenken, ob dieses düstere Kapitel der tschechischen Nachkriegsgeschichte neu und auch wahrheitsgemäß niedergeschrieben werden sollte. – Anzeichen dazu gibt es bereits.
Wie schon erwähnt: Bei einem Amtsbesuch von Bundespräsident Klestil bei seinem tschechischen Amtskollegen Havel meinte dieser zur Überlegung einer moralischen Versöhnung wörtlich – ich zitiere –: "Ich würde jede Geste unterstützen, die mir die Fachleute vorlegen."
Bemerkenswert ist aber auch, daß Präsident Havel dabei das Wort "Vertreibung" verwendete und nicht das in Tschechien übliche Wort "Abschiebung". Sie sehen, es ist auch hier ein Umdenkprozeß im Gange. Langsam kommt Bewegung in die Meinungsbildung der tschechischen Spitzenpolitiker. Daher glaube ich, daß die Einrichtung einer Historikerkommission sehr wertvoll sein kann.
Ich glaube auch, daß Versöhnung Offenheit und Bereitschaft braucht, aufeinander zuzugehen, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen; und dieses Gemeinsame ist unsere Verantwortung für die Zukunft Europas. Daher darf das Unrecht in der Vergangenheit keine Barriere sein, uns als Bürger Europas zu begreifen und auch danach zu handeln. Gerade das europäische Friedens- und Einigungswerk ist als Antithese zu Krieg, Mißachtung von Menschenrechten und unaussprechlichem Leid und Unrecht entstanden. Das beweist, daß die Menschen fähig sind, die richtigen Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen.
Ich meine auch, um auf Herrn Abgeordneten Graf zu replizieren, daß die Frage zu stellen ist, wo der Erfolg größer und vor allem nachhaltiger erscheint. Das Ergebnis von bilateralen Verhandlungen, oder soll junktimiert werden? – Ich bin der Ansicht, der erstgenannte Weg ist der richtigere!
Aus diesem Grunde ist es umso wichtiger, daß jede Maßnahme und jeder Schritt in dieser Frage wohl überlegt getan wird. Vorstöße, wie sie vor kurzem FPÖ-Obmann Haider gezeigt hat, sind kontraproduktiv. – Herr Abgeordneter Haider! Ich kann Ihnen aus der Ausgabe der Zeitung "Oberösterreichische Nachrichten" vom 16. September 1998 aus einem Artikel zitieren, in dem Karl Danninger schrieb:
"Die Diskussion wird nicht darüber geführt, wie der FP-Obmann dazu kommt, das Schicksal einer ganzen Gruppe für seine Parteipolitik zu mißbrauchen, sondern reflexhaft stürzt sich die Politik auf Haiders Thesen und teilt undifferenziert die Welt in gut und böse."
Oder: Josef Ertl
im "Standard": "Haider kontraproduktiv." ... "Wenn Haiders Äußerung nicht kontraproduktiv wäre, wäre ich dankbar dafür." – Das hat Ertl in einem Artikel geschrieben, aber gesagt hat das der Bundesgeschäftsführer der sudetendeutschen Landsmannschaft, Alfred Bäcker. Er hat außerdem gesagt: "Es wird die Sache in ein Licht gebracht, das wir" – also die Sudetendeutschen – "nicht wünschen." – Meine Damen und Herren! Daher glaube ich, daß man hier wirklich etwas diplomatischer vorgehen sollte.