Bei dieser speziellen Zertifizierung für die Sachverständigen- beziehungsweise Dolmetschtätigkeit handelt es sich um eine solche vor den inländischen Gerichten, wobei in den Geltungsbereich des Akkreditierungsgesetzes nicht eingegriffen wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden sich bestimmt fragen: Warum diese Neuregelung? – Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen gab es das Bedürfnis in der Wirtschaft beziehungsweise im Verband der allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen Österreichs, daß Sachverständige auch zertifiziert werden können. Notwendig ist diese Neuregelung jedoch aus einem anderen Grund geworden, und da sehe ich den Schwerpunkt.
Lassen Sie es mich ganz offen sagen: Diese Neuregelung ist deswegen notwendig geworden, weil das Anhörungsrecht der Wirtschaftskammer nach dem geltenden Recht de facto zur normativen Kraft des Faktischen mutierte. Das heißt, der Meinung der Wirtschaftskammer beziehungsweise der zuständigen Interessenvertretung – ich denke da beispielsweise an die Wirtschaftstreuhänder – wurde im Regelfall durch den listenführenden Präsidenten entsprochen, und es gibt nach der alten Rechtslage keinen Rechtszug und keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, mit aller Deutlichkeit festzuhalten, daß so Konkurrenzsachverständige verhindert wurden.
Durch die nun vorgesehene Neuregelung wird allerdings die Situation eindeutig verbessert. Unter dem Vorsitz eines unabhängigen Richters ist eine Kommission vorgesehen, welche ein Gutachten über den Bewerber oder die Bewerber erstellt und auch Prüfungen durchführt; die einzelnen Prüfungsschritte müssen im Detail dokumentiert werden. Zwei weitere qualifizierte und unabhängige Sachverständige sind Mitglieder dieser Kommission. Damit ist die Bewerbung transparent gestaltet und kann von jedermann nachvollzogen werden – daher auch unsere grundsätzliche Zustimmung zu dieser Regierungsvorlage.
Herr Bundesminister! Erlauben Sie aber, daß ich trotz dieser positiven Neuregelung einige Problembereiche darstelle, die mit der Tätigkeit von allgemein gerichtlich beeideten und zertifizierten Sachverständigen verbunden sind. Ich weiß, sie fallen nicht in diese Gesetzesmaterie, sondern müßten in anderen Gesetzesmaterien geregelt werden.
Zum einen das Thema der Befangenheit von Sachverständigen. Sachverständige müssen über ein besonders großes Fachwissen und Erfahrung, über Objektivität, Unabhängigkeit und Verläßlichkeit sowie über ausreichende Kenntnisse des Wesens und der Bedeutung der gerichtlichen Sachverständigentätigkeit und einschlägige Verfahrensbestimmungen verfügen. Mich beschäftigt die Frage der Unabhängigkeit, das Thema "Befangenheit".
In diesem Zusammenhang stehen wir vor dem Problem, daß vor oder bei der gerichtlichen Bestellung nach der Straf- beziehungsweise Zivilprozeßordnung Sachverständige hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit – oder wenn Sie wollen: Befangenheit – nicht im Detail überprüft und kontrolliert werden. So kann es beispielsweise passieren, daß ein Sachverständiger der Mehrheitsgesellschafter einer Firma ist und durch Gerichtsauftrag die Tätigkeit einer anderen Person gutachterlich zu prüfen hat, obwohl er, der Sachverständige, Minderheitsgesellschafter an der Firma ist, bei der die zu beurteilende Person Mehrheitsgesellschafter ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube daher, daß wir die Frage der Befangenheit wirklich diskutieren müssen. Wir meinen, daß die Diskussion, die wir im Justizausschuß geführt haben, weitergeführt werden soll: daß nämlich vor oder nach der Bestellung, jedenfalls vor Beginn der gutachterlichen Tätigkeit, auf einem Formblatt mögliche Befangenheitsgründe aufscheinen oder dokumentiert werden müssen. Dies sollte später allfällige Haftungsfragen klären, weil es nicht nur darum geht, die Befangenheit, die man natürlich in jeder Phase des Verfahrens geltend machen kann, im Verfahren geltend zu machen, sondern es geht auch um die Konsequenzen, die Sie ja auch kennen: Die Folge ist die Nichtigkeit des Verfahrens.
Ein zweiter Punkt, den ich kurz ansprechen möchte, ist – darum haben mich auch die Richter am Landesgericht Salzburg gebeten –, daß man eine gesetzliche Regelung dafür schaffen sollte, daß Richter überprüfen können, ob das Gutachten auch nach dem Gerichtsauftrag entsprechend verfaßt wurde, und davon die Zahlung der Gebühren abhängig machen können.