Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 141. Sitzung / 170

Von einer Ausschußvorberatung wurde gemäß § 28a der Geschäftsordnung Abstand genommen.

Zu Wort gemeldet ist als bisher einzige Rednerin Frau Abgeordnete Mag. Wurm. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.40

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! In der 52. Sitzung des Nationalrates, und zwar im Dezember 1996, wurde Österreichs Beitritt zum Schengener Durchführungsübereinkommen ausführlich hier im Hause diskutiert. Breiten Raum nahm dabei die Bekämpfung der organisierten Kriminalität ein. Es wurde darauf hingewiesen, daß in diesem Zusammenhang nicht nur die Sicherung der EU-Außengrenzen eine zentrale Rolle einnimmt, sondern auch die sogenannte Schleierfahndung zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität innerhalb der EU-Grenzen. Befürchtungen, daß Kriminelle der Verfolgung und Bestrafung durch geschicktes Ausweichen von einem in das andere Land entgehen könnten, wurden von den einen heraufbeschworen und von den anderen wieder zerstreut. In einem Punkt waren sich die ParlamentarierInnen hier im Hohen Haus jedoch einig, nämlich darin, daß ein Straftäter in der EU keine Möglichkeit haben darf, sich einer Strafe zu entziehen. Straftäter müssen überall in der EU verfolgt werden können, und sie müssen ihre Strafe nach der Verurteilung einmal angemessen verbüßen. – So weit, so gut.

Was bei der damaligen Debatte nicht zur Sprache kam beziehungsweise ein wenig unterging, sind die Artikel 54 bis 58 des Schengener Durchführungsübereinkommens, in denen explizit festgehalten wird, daß niemand wegen ein und derselben Straftat beziehungsweise wegen ein und desselben Delikts zweimal bestraft werden darf. Was innerhalb eines Staatsgebietes als ganz selbstverständlich erscheint, ist zwischen den Staaten aufgrund der verschiedenen Rechts- und Gesetzeslagen gar nicht so selbstverständlich. Dieses Verbot der Doppelbestrafung, ursprünglich schon 1985 im Schengener Durchführungsübereinkommen festgeschrieben, wurde 1987 nochmals in einem eigenen Übereinkommen zwischen den einzelnen Staaten der Europäischen Union mit fast identischen Regeln bekräftigt. Dieses Übereinkommen hat Österreich bis heute noch nicht ratifiziert, und daher glaube ich, daß es eine gute Geste ist, wenn wir dieses heute ratifizieren, da wir jetzt unter anderem auch die EU-Präsidentschaft innehaben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Liberalen Forums.)

Hohes Haus! Ich möchte noch kurz auf einen der wesentlichsten Rechtsgrundsätze des Übereinkommens überhaupt zu sprechen kommen. Diesem Abkommen, das uns jetzt als Regierungsvorlage vorliegt und dessen Ratifizierung wir heute beschließen sollen, liegt der Rechtsgrundsatz "ne bis in idem" zugrunde. Das heißt, daß jemand nicht zweimal wegen desselben Tatbestandes verurteilt und bestraft werden darf. Das Verbot der Doppelbestrafung bringt meiner Ansicht nach etwas mehr Rechtssicherheit in die Staatengemeinschaft. Mit dieser Gesetzesvorlage wird die Tatsache berücksichtigt, daß es in den einzelnen Ländern für ein und dasselbe Delikt verschiedene Strafausmaße gibt, und auch auf die Frage, ob im Falle einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt wurde, gerade vollstreckt wird oder nicht mehr vollstreckt werden kann, wird eingegangen.

In Artikel 2 dieses Übereinkommens erklärt Österreich, daß es sich in bestimmten Fällen, welche die Sicherheit oder andere wesentliche österreichische Interessen betreffen – wie zum Beispiel Hochverrat, Spionage oder die Durchführung von Kriegsführungsmaterial durch das Staatsgebiet – nicht an das Verbot der Doppelbestrafung gebunden fühlt.

Ganz wichtig, um den Grundsatz "ne bis in idem" gewährleisten zu können, ist es, daß jene Staaten, die dem Abkommen beitreten, zwischen den zuständigen Behörden einen Konsultationsmechanismus einrichten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, dieser Vorlage zuzustimmen, zumal sich am österreichischen Rechtsverständnis nichts ändert. Dies ist ein, wenn auch nur kleiner, so doch wichtiger und wesentlicher Schritt zu einem einheitlicheren europäischen Rechtsraum. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.45


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