Es geht um Frankreich, es geht um jenes Land, das lange Zeit als der Bremser in Sachen Volksgruppensprachen, Regionalkulturen gegolten hat, es geht um das Land, das sich jetzt entschlossen hat, diesbezüglich Veränderungen zu bewirken zu beginnen.
Ich meine, das ist eine sehr, sehr erfreuliche Tatsache. Es bedeutet vor allem auch, daß für viele, die in den letzten Jahren Frankreich immer wieder als Ausrede dafür benutzt haben, daß man ja im europäischen Verein nichts tun könne, weil es einige sehr hartnäckig, zurückhaltende Staaten gibt, eben diese Begründung nicht mehr gelten wird, denn es ist Erfreuliches zu berichten: Man überlegt den Verfassungsartikel, der das Französische ungebührlich forciert hat, zu ändern, und zwar zugunsten der Regional- und Minderheitensprachen.
Das ist eine ganz wichtige Tatsache, die wir nicht genügend unterstreichen können, denn diese Entwicklung sehe ich als Anfang eines klaren und guten europäischen Volksgruppenschutzes. Daß die Länder beginnen, in ihren eigenen Bereichen Veränderungen zu postulieren und letztlich auch in Gesetzesform – in Verfassungsgesetzform, wie in Frankreich gedacht – zum Positiven zu verändern, im Sinne der Buntheit Europas, im Sinne der Kulturenvielfalt, kann man, glaube ich, nur begrüßen.
In diesem Sinne geht es aber auch darum, daß man nachfragen muß, ob wir in unserem Hause selbst – jetzt meine ich das Haus Österreich, ich meine aber auch dieses Haus, in dem wir uns gerade befinden – für einen kleinen Teil unserer Staatsbürger, eben die Angehörigen der Volksgruppen, genügend getan haben.
Ich glaube, daß wir es da mit einem Grundproblem zu tun haben, das ich schon einige Male unterstrichen habe: Es gibt einen sehr rudimentären, sehr eingeschränkten rechtlichen beziehungsweise verfassungsrechtlichen Volksgruppenschutz. Immer wieder haben die Volksgruppen versucht – sei es seinerzeit durch den großen Entwurf eines Volksgruppengrundgesetzes, sei es durch eine Reihe von Verbesserungen im Zusammenhang mit dem Schulgesetz oder auch in anderen Bereichen –, eine Kontinuität des Volksgruppenschutzes zu schaffen, nämlich unabhängig davon, daß Volksgruppenprobleme immer wieder auch politische Probleme sind, wahlpolitische, wahltaktische Probleme. Die Volksgruppen haben kein großes Interesse daran, immer wieder bei Wahlen – sei es für die eine oder andere Seite – sozusagen als Watschenmann herzuhalten. In Kärnten kann ich davon wirklich ein Lied singen, wo die Slowenen-Frage immer wieder bei Wahlzeiten ins Gerede gebracht wird beziehungsweise die Wahlen als Grund dafür angegeben werden, daß man gewisse Dinge nicht tun könne.
Daher der Versuch, in einer Grundverfassungsnorm, in der diese Volksgruppenrechte definiert werden, eine Basis dafür zu schaffen, daß es, wenn schon einfachgesetzliche Lösungen nicht vorhanden sind, trotzdem möglich ist, und zwar durch verfassungsgerichtshöfliche oder andere Entscheidungen, langsam den guten Teppich eines soliden Volksgruppenschutzes zu weben. Es ist gewissermaßen auch ein Angebot seitens der Volksgruppen in Richtung dieses Hauses.
Dieser Entwurf, der Ihnen nun als Artikel 19 Staatsgrundgesetz vorliegt, ist nicht nur in meinem Klub gewachsen – es war zwar wichtig, daß das Liberale Forum das voll aufgegriffen hat, ich danke auch der grünen Fraktion dafür, daß wir uns so schnell auf ein gemeinsames Papier einigen konnten, das war ganz wichtig, das ist die erste Basis, das ist einmal der erste Grundgedanke für eine gute Lösung –, die Artikel 19-Vorlage ist aber auch mit den Volksgruppenorganisationen abgestimmt, nicht mit allen, aber es sind die wichtigsten Organisationen mit von der Partie und würden sich eigentlich freuen, wenn wir diese rechtliche Basis dafür schaffen.
Es geht jetzt nicht darum, sozusagen neue Komplikationen in die Verfassung hineinzutragen, sondern es geht darum, ein bestehendes, aus der Monarchie rezipiertes Gesetz heranzuziehen und einen Artikel darin speziell auszuformulieren.
Wenn also einerseits die europäische Dimension, die wir heute schon behandelt und hervorgestrichen haben, so wichtig ist, so ist es natürlich umso wichtiger, daß wir parallel dazu im Innern unseres Landes eine gute Basis schaffen. Wie Sie wissen, sind die Verfassungsnormen, die das regeln, im wesentlichen in zwei internationalen Verträgen festgehalten: im Staatsvertrag von Saint-Germain und im Staatsvertrag von Wien von 1955 – beides sind Verträge nach zwei