schrecklichen Kriegen, beides sind natürlich Verträge, die in Zwangssituationen, Notsituationen Ausgleich schaffen mußten, Grundlagen für den Bestand Österreichs schaffen mußten. Es geht um Bestimmungen, die an sich nicht von vornherein den Minderheitenschutz zum Ziel hatten, es sind eher eine Art Ausgleichsverträge, durch die auch gewisse ausländische oder nachbarschaftliche Interessen irgendwie abgegolten werden sollten.
Das ist auch, wenn Sie so wollen, das Grundproblem dieser beiden Verfassungsnormen: daß auch die betreffenden Artikel des Staatsvertrages von Saint-Germain und Artikel 7 des Staatsvertrages von Wien nicht a priori aus dem Bedürfnis der Österreicher entstanden sind, für ihre Volksgruppen etwas zu tun, sondern daß es politische Forderungen, Forderungen im Zusammenhang mit den Nachbarländern gab und man diesen Forderungen irgendwie gerecht werden mußte und versuchte, auch im Volksgruppenbereich etwas zu tun. Das ist das Problem!
Das heißt, daß es abgetrotzte Normen sind, entstanden durch ein Wirrwarr von Vorschlägen – ich möchte es Ihnen ersparen, zum Beispiel die Entstehung des Artikels 7 zu schildern –, aufgrund großer Interessen damaliger oder heute noch vorhandener Großmächte und aufgrund weltpolitischer Interessen. Sie wissen: Kärnten, kalter Krieg, Karawankengrenze, Tito, Kommunismus – das alles hat da hineingespielt. Es gab große neue Konfrontationen und den Wunsch, daß Jugoslawien vielleicht doch aus dem großen Block ausschert und eine eigene Linie geht. Es war also eine Konzessionspolitik. Daher ist der Artikel 7 im Zusammenhang mit den Nachbarbeziehungen und auch mit den globalen europäischen Lösungen als eine Art Konzessionsartikel zu betrachten. (Abg. Zweytick: Das ist Träumerei! Das ist Wunschdenken!)
Ich glaube, daß es dieses Haus doch irgendwie mit Sorge erfüllen sollte, daß wir nicht in der Lage sind, autonom und authentisch etwas Neues zu schaffen, das aus unserer eigenen Bereitschaft entsteht, eine gute Volksgruppen-Norm zu schaffen. Ich glaube, daß wir Abgeordnete etwas Derartiges doch zustande bringen müßten. Wir müssen uns doch Verträge nicht immer abtrotzen lassen! Wir können doch selbst einmal etwas Vernünftiges vorschlagen! (Beifall beim Liberalen Forum.)
Ich glaube, daß es auch dem republikanischen Österreich ziemen und es einfach zu uns passen würde, daß wir damit eine ganz große Lücke in unserer Verfassung schließen. Das können wir in Autonomie schaffen. Wir brauchen auf keine Schutzmächte, auf keine Großmächte, auf niemand mehr Rücksicht zu nehmen und können sagen: So wollen wir einen Teil unserer ganz speziellen, auch österreichischen, anderssprachigen Kultur schützen! So wollen wir den betroffenen Menschen die politische Partizipation ermöglichen!
Da geht es um eine ganz wichtige Bestimmung, auf die ich hinweisen möchte. Wie Sie wissen, gibt es im Zusammenhang mit dem Volksgruppenrecht immer die große Diskussion über die Grundsatzfrage: Genügt es, Menschenrechte einzuräumen? Genügt es, Individualrechte einzuräumen, oder braucht man auch etwas wie einen Gemeinschaftsschutz, einen Schutz der Gruppe?
Erlauben Sie mir, daß ich als jemand, der in diesem Bereich langjährige Erfahrung hat, folgendes ganz klar festhalte: Wir müssen grundsätzlich beide Arten von Schutz gewährleisten. Wir müssen natürlich selbstverständlich gewährleisten, daß die Menschenrechte in der Individualität und für das Individuum durchsetzbar, realisierbar, über Gerichte einklagbar sind, somit für den einzelnen erreichbar werden, wir müssen aber auch klar sehen, daß wir dann, wenn wir dieses Europa und auch unser Österreich als kulturelle Gemeinschaft, als multikulturelle Gemeinschaft erhalten wollen, auch die einzelnen Volksgruppen als Gemeinschaft schützen müssen.
Wir müssen es den Volksgruppen auch ermöglichen, sich als politische, kulturelle und sprachliche Einheit zu verstehen, denn man spricht eben nur mit anderen. Ich erlaube mir immer, das in eine etwas launige Form zu bringen. Da ich Kärntner bin, werden Sie vielleicht auch das Beispiel mit dem Gesang, dem Singen verstehen: Man muß es ermöglichen, daß jemand solo singen kann, daß er mit jemandem im Duett singen kann, man muß aber auch erlauben, daß Leute im Chor singen. Der Chor besteht aber nicht aus vielen Solisten, sondern den Chor macht eben aus, daß da ein Zusammenspiel der Stimmen stattfindet.