Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 142. Sitzung / 49

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Der Kern der Kammerreform besteht darin, die Ärzteschaft primär nicht – wie dies derzeit der Fall ist – je nach der Qualifikation als Allgemeinmediziner, Facharzt oder Turnusarzt in Sektionen zu gliedern, sondern entsprechend den spezifischen beruflichen Interessen als angestellter Arzt beziehungsweise angestellte Ärztin, niedergelassener Arzt oder Zahnarzt in drei Kurien zu einzuteilen, wobei diese Kurien weitgehend autonome Befugnisse haben und damit auch einem Demokratieprinzip Rechnung getragen wurde.

Es ist damit gelungen, sowohl die zunehmende Bedeutung der Spitalsärzte in der Kammerorganisation abzubilden als auch den Bestrebungen der Zahnärzte nach mehr Autonomie in der Wahrnehmung ihrer spezifischen Interessen Rechnung zu tragen.

Ein wichtiges Ziel der Kammerreform – ich bin überzeugt davon, daß dieses erreicht wurde – ist die Stärkung der demokratischen Willensbildung innerhalb der Kammerorganisation, und ich denke, es ist ungerechtfertigt, wenn die Stärkung des demokratischen Elements mit einem pauschalen Bürokratievorwurf diffamiert wird.

Nach den neuen Bestimmungen kann die Vollversammlung der Ärztekammer nun bis zu 100 Mitglieder umfassen. Bisher durften es nur 60 sein. Dies wurde kritisiert. Dadurch wird aber sichergestellt, sehr geschätzte Damen und Herren, daß auch kleinere wahlwerbende Gruppierungen innerhalb der Ärzteschaft die Möglichkeit zur Mitsprache in diesem wichtigsten Gremium der Kammer erhalten. Daher sage ich sehr offen: Es überrascht mich besonders die Kritik der kleineren Fraktionen, die das als Mangel sehen. Ich dachte eigentlich, es sei dies eine Reflexion, mit der auch den demokratischen Bedürfnissen kleinerer Gruppierungen Rechnung getragen wird. Vielleicht ist es aber doch möglich, in einem detaillierten Gespräch diese politische Motivation den kleineren Fraktionen näherzubringen und damit auch die Akzeptanz dieser zu erreichen.

Die bisherige Höchstzahl von 60 Kammerräten gilt seit Ende der vierziger Jahre, sehr geschätzte Damen und Herren – ich betone: seit Ende der vierziger Jahre! –, und jetzt haben wir das Jahr 1998. Seit den vierziger Jahren hat sich die Zahl der Ärzte in Österreich verdreifacht. Ich erachte es daher als legitim, daß das zentrale Vertretungsgremium der Ärzteschaft hinsichtlich seiner Größe den heutigen Gegebenheiten moderat angepaßt wird, sodaß es entsprechend zeitgemäß ist. Ich würde wirklich bitten, diese Argumente zu berücksichtigen.

Ich möchte auch nicht unerwähnt lassen, daß die Vertretungsrechte der verschiedenen Kurien im Einvernehmen zwischen Ärztekammer und Gewerkschaften ausverhandelt wurden. Es ist daher kein Zufall, daß nicht nur die Repräsentanten der Ärztekammer Ihrer Debatte hier beiwohnen, sondern auch die Vertreter der Gewerkschaft. Ich denke, es ist auch ein Symbol, daß wir darauf verweisen können, daß wir trotz manchmal sehr unterschiedlicher Positionen letztlich wieder eine gute Zusammenarbeit sichergestellt haben und diese auch für die Zukunft zu erwarten ist.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Erlauben Sie mir aber, noch auf den zweiten, mir sehr wichtigen Punkt in diesem neuen Gesetz zu verweisen. Ich meine den Bereich der ärztlichen Verschwiegenheits- und Anzeigepflicht.

Das neue Ärztegesetz sieht – wie schon angesprochen – vor, daß Ärzte bei Verletzungen mit Verdacht eines Fremdverschuldens nicht sofort Anzeige bei der Sicherheitsbehörde erstatten müssen. (Abg. Dr. Pumberger: Aber sie sind haftpflichtig!) Ich glaube, all jene, die sich mit diesem großen Problem, das hier angesprochen wird, zu befassen haben, sind zu der Erkenntnis gekommen, daß die Strafverfolgung des Täters keine Gewähr dafür bietet, dem Opfer zu helfen. Ich glaube, es muß aber unser Anliegen sein, primär das Schicksal des Opfers vor Augen zu haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Wozu dann noch jemanden einsperren?)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die Ärzte haben aufgrund dieses Gesetzes nun bei Verdacht auf Mißhandlung oder Mißbrauch den zuständigen Jugendwohlfahrtsträger zu verständigen. Ich glaube, daß das der einzig richtige Weg ist, um dem Opfer mehr zu helfen und


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite