Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 145. Sitzung / 16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegen nunmehr zwei Verlangen auf Durchführung einer Einwendungsdebatte beziehungsweise Veränderung der Tagesordnung vor. Es liegen auch zwei Verlangen gemäß § 50 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, eine getrennte Debatte durchzuführen. Diesen Verlangen ist nach der Geschäftsordnung stattzugeben.

Nach § 60 der Geschäftsordnung ist das Einwendungsverlangen des Liberalen Forums als erstes und das der Grünen als zweites zu behandeln. Nach § 50 der Geschäftsordnung beschränke ich die Redezeit auf 5 Minuten, die Maximalzahl der Redner pro Klub liegt bekanntlich bei drei.

Als erste zu Wort in der Einwendungsdebatte im Sinne des Antrages des Liberalen Forums gelangt Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. (Bundesminister Edlinger begibt sich von seinem Platz auf der Regierungsbank weg.) – Herr Finanzminister, würden Sie noch eine Sekunde dableiben! – Gegenstand der Einwendungsdebatte ist das Verlangen, den Punkt 9 der Tagesordnung als Punkt 2 zu fixieren. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Dr. Kostelka: Wieso muß der Herr Finanzminister dableiben, Herr Präsident? – Heiterkeit. – Abg. Dr. Schmidt: Vielleicht gibt er doch noch eine Erklärung ab!)

9.05

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Minister, so Sie noch da sind! Hohes Haus! Man weiß, daß wir Liberalen die Geschäftsordnung immer sehr ernst nehmen, und ich bin daher sehr sensibel gegenüber dem Vorwurf, daß die in der Geschäftsordnung vorgesehenen Instrumente mißbräuchlich eingesetzt werden. Ich habe einen solchen Vorwurf, bevor man noch meine Ausführungen dazu vernommen hat, bereits in der Präsidiale, die vor wenigen Minuten stattgefunden hat, seitens der Regierungsfraktionen gehört. Ich möchte dem begegnen, weil es nicht meine Absicht ist, die Geschäftsordnung zu mißbrauchen, sondern ganz im Gegenteil: weil ich auf Fairneß in diesem Parlament Wert lege. Zur Fairneß gehört auch dazu, die Geschäftsordnung richtig einzusetzen. Aber es gehört auch dazu, die Grenzen der Geschäftsordnung dann auszuloten, wenn die Mehrheit in diesem Parlament die Minderheit dazu zwingt. Und genau in dieser Situation befinden wir uns jetzt.

Wir haben in der letzten Präsidiale, als es um die Erstellung der Tagesordnung ging, wieder einmal – aber es wird immer unverblümter – erlebt, welch unterschiedlicher Maßstab – nicht inhaltlicher Maßstab, sondern Maßstab der parlamentarischen Vorgehensweise – an Vorlagen angelegt wird, je nachdem, ob sie von den Regierungsfraktionen des Hauses oder ob sie von den Oppositionsparteien des Hauses eingebracht werden.

Daß die Mehrheiten darüber entscheiden, wie etwas auszusehen hat, ist klar, daß sich aber die Mehrheiten ihre Geschäftsordnung de facto machen, ist nicht einzusehen. So, wie wir in diesem Land eben auch eine Realverfassung haben, die sich immer weiter von der geschriebenen Verfassung entfernt, so ähnlich scheint es mir nun auch mit der Praxis in diesem Haus zu sein: Es wird eine Realgeschäftsordnung praktiziert, die mit dem Geist der geschriebenen Geschäftsordnung überhaupt nichts mehr zu tun hat. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Das heißt aber für die Opposition, daß man, wenn man das erlebt, die eigentlichen Aufgaben dieses Parlaments, nämlich auch die Kontrolle durchzuführen, besonders berücksichtigen muß.

Als der Tagesordnungspunkt "Ennsnahe Trasse" als Tagesordnungspunkt 9 gereiht wurde, war das schon etwas, wobei mir nicht ganz wohl in meiner Haut war. Dennoch habe ich mir gedacht, man wird auch an diesem Tagesordnungspunkt zu dieser Zeit all das relevieren können, was zu relevieren ist. Inzwischen ist aber doch einiges passiert, nachdem wir das in der Präsidiale besprochen haben. Es sind nämlich weitere Schritte gesetzt worden, aus denen ersichtlich war, daß die Kontrollaufgaben dieses Parlaments, daß die Informationsrechte der Minderheit in diesem Parlament, nämlich der Oppositionsparteien, von den Regierungsfraktionen nicht ernst genommen werden.

Als die Liberalen einen Antrag auf Bericht des Innenministers in der Sache Soronics gestellt haben, hat dieser das zwar zur Kenntnis genommen, ist dem aber nicht nachgekommen. Ich weiß


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