Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 145. Sitzung / 45

Ich habe damals, als ich die Steuerreformkommission eingesetzt habe, gesagt: Die Steuerreformkommission hat die Aufgabe, eine Steuerreform zu konzipieren, die fünf wesentlichen Kriterien gerecht zu werden hat:

Erstens: Sie hat den Faktor Arbeit zu entlasten, das heißt, strukturelle Maßnahmen zu setzen, die geeignet sind, den Wirtschaftsstandort Österreich in der Wettbewerbssituation zu verbessern.

Zweitens: Sie hat die Frage der Kapitalbesteuerungen zu überprüfen, selbstverständlich in einem bestimmten Konnex mit jenen Vorgängen, die sich in Europa abspielen. Das ist überhaupt keine Frage. Aber es ist ganz einfach langfristig und auch mittelfristig – darüber sind sich alle Finanzminister in Europa einig – eine ziemlich kontraproduktive Entwicklung, wenn wir kritiklos und ohne Reaktion zur Kenntnis nehmen, daß die Steuerbelastung des Faktors Arbeit in den letzten 15 Jahren um 7 Prozentpunkte zugenommen und die Steuerbelastung des sehr viel mobileren Produktionsfaktors Kapital im gleichen Zeitraum um 10 Prozentpunkte abgenommen hat. Wenn man hier auch die Frage der Beschäftigungspolitik sieht, dann haben wir Handlungsbedarf – nicht nur als Österreicher, sondern in der gesamten Europäischen Union.

Die dritte Aufgabenstellung an die Steuerreformkommission war, zu überprüfen, inwieweit ein erster Schritt in Richtung Ökologisierung des Steuersystems gesetzt werden kann. Das ist ohne Zweifel auch eine Frage der politischen Machbarkeit und des politischen Mutes, aber es ist ein Schritt in eine Richtung zu setzen, der in Anlehnung an Entwicklungen, die in Gesamteuropa notwendig sind, erfolgen muß.

Viertens ist eine Tarifsenkung in jenem Ausmaß ins Auge zu fassen, daß der fünfte Punkt, der auch entscheidend ist, nämlich die Konvergenzkompatibilität, nicht in Frage gestellt wird.

Das waren die Vorgaben an die Steuerreformkommission, und ich habe von Anfang an gesagt, daß ich mir von der Steuerreformkommission kein Steuerkonzept erwarte. Um Gottes Willen, Sie werden doch nicht glauben, daß man von Fachleuten ein Steuerkonzept erwarten kann, sondern was wir von der Steuerreformkommission wollen, sind Optionen der Machbarkeit, das heißt, entlang dieser Linien festzustellen: Was ist machbar? Was passiert, wenn man an dem einen oder anderen Steuerrädchen dreht, am anderen Ende des Steuergefüges und letzten Endes auch im Bereich der Konvergenzkompatibilität?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Denn Steuerpolitik – und das lasse ich mir als Politiker und Finanzminister nicht streitig machen –, wie eine Steuerreform aussieht, wie sie letztendlich auch von diesem Hause beschlossen werden soll, ist eine politische Angelegenheit. Ich glaube nicht, daß es sich die Politik so einfach machen und das auf die Fachleute schieben soll.

Was wir in dieser Regierung wollen, sind Grundlagen, die fachlich korrekt, die machbar sind, die durchgerechnet sind in der Weise, daß man weiß, was es bedeutet, wenn man in dieser oder jener Weise Entscheidungen trifft. Aber die Entscheidung darüber, welche Struktur die Steuerreform hat, die Entscheidung darüber, was wir uns tatsächlich auch nach dem Gebot einer sehr konkreten Kalkulierbarkeit leisten können, liegt bei uns.

Ich füge hinzu: Ich möchte im Jahre 2000 eine Steuerreform wirksam haben, die Antworten auf die von mir zitierten Fragen gibt, aber gleichzeitig noch etwas erreicht: daß sich der Finanzminister dieser Republik in die Öffentlichkeit stellen und sagen kann, daß diese Steuerreform dazu beiträgt, daß strukturelle Verbesserung erfolgen, daß aber jedenfalls eines nicht passiert, und zwar, daß die österreichische Bevölkerung ein oder zwei Jahre später mit einem Sparpaket Nummer drei konfrontiert wird. Das ist nicht die Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren, die ich als Ergebnis der Steuerreform haben möchte! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es mag schon sein, daß es Vorschläge gibt, die hochinteressant sind. Ich habe mit großem Interesse die Steuerreformprogramme etwa des Liberalen Forums, aber auch der Grünen gelesen, und ich fand darin durchaus diskussionswürdige und äußerst interessante Ansätze. Die Frage dabei ist aber, wie wir solche Ansätze in das Gesamtkonvolut einbinden können.


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