Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 145. Sitzung / 190

Wie schaut denn diese Realität aus? – Er hat davon gesprochen, daß Tausende von LKWs durch das Ennstal donnern. Warum herrscht eine derartige Situation, warum müssen wir einer derartigen Realität ins Auge schauen? – Weil – das sage ich jetzt klar und deutlich – die Verkehrspolitik versagte, weil Ihre Bekenntnisse zur Verlagerung der Gütertransporte auf die Schiene reine Lippenbekenntnisse blieben, weil Sie nichts taten, um die Verkehrsströme an der Quelle einzudämmen. Das ist die eine Realität, die man ganz deutlich beim Namen nennen muß.

Die Problematik um das Ennstal ist aber nicht nur eine verkehrspolitische Desasterangelegenheit, nicht nur in verkehrs- und transitpolitischer Hinsicht besonders gravierend, sondern sicher auch in rechtsstaatlicher Hinsicht. Es ist dies ein Musterbeispiel dafür, wie das staatliche Recht praktisch zu einer Art Faustrecht wird, zu einem Faustrecht im Sinn einer Landesregierung.

Herr Kollege Lukesch! Sie haben in wunderbar pharisäerhafter, juristischer Winderei gemeint, es sollte doch – wenn ich Sie zitieren darf – das juridische Gespür die Oberhand gewinnen. Ich frage mich, wofür wir denn Gesetze haben, wenn Ihres Erachtens das juridische Gespür reichen würde. Sie haben außerdem gesagt, man solle doch den Hausverstand walten lassen und nicht sozusagen haarspalterisch und juridisch kleinkrämerisch an Naturschutzbescheiden und so weiter hängen. Ich frage mich: Wozu gibt es denn den Rechtsstaat, wenn sowieso der Hausverstand walten sollte? Wozu brauchen wir all die Juristen, wenn der Hausverstand oder das juristische Gespür des normalen Menschenverstandes genügt? (Abg. Dr. Lukesch: Sie haben nicht zugehört oder es nicht verstanden, Frau Kollegin Moser!) Meiner Ansicht nach war das eindeutig eine Vorlesung im Hinblick auf Pharisäertum in der juridischen Nomenklatur.

Sie haben auch davon gesprochen, daß es zu einer Normenkollision kommen kann. Wozu haben wir denn Verfassungsgerichtshöfe? Wozu haben wir Verwaltungsgerichtshöfe, die konkret sagen, was Recht ist und was Unrecht ist?

Unrecht war, wie die steirische Landesregierung vorgegangen ist. Das ist eindeutig auch aus den Rechnungshofberichten herauszulesen. Das können Sie deutlich nachlesen im Bereich des Naturschutzes, im Bereich des Wasserschutzes oder des Wasserrechtes. Da ist man widerrechtlich vorgegangen. Auch europäische Normen, insbesondere die Habitat-Richtlinie für Flora und Fauna, hat man mit Füßen getreten und nicht berücksichtigt. Bei den Enteignungen – hiezu hat mein Kollege Wabl ja schon sehr viele Details genannt – ist man wirklich über die Köpfe der Leute hinweggefahren und hat ganz einfache Prinzipien mit Füßen getreten. Das Devolutionsrecht wurde mißbraucht, die Gelder der Republik sind mißbräuchlich verwendet worden, und auch die Sachverständigen – das ist für mich sehr wesentlich – sind gedungen worden und Handlanger einer Politik geworden, die sich jenseits des Rechtsweges befindet. Und das ist das erschütternde an diesem Fall Ennsnahe Trasse.

An diesen Rechtsbrüchen läßt sich auch aufzeigen, wie eine verkehrte Straßenverkehrspolitik endgültig ins Abseits gerät und wie sie praktisch daran scheitert, Lösungen zu bringen. Lösungen hätte es gegeben, Lösungen gibt es auch jetzt noch. Diese Lösungen haben Sie jedoch der Bevölkerung im Ennstal 20 Jahre lang verweigert. Sie haben verweigert, daß es eine bestandsnahe Planung gibt. Sie haben eine Planung im Konsens mit der Bevölkerung verweigert. Sie haben auch verweigert, daß es eine Planung gibt, die im Einvernehmen mit dem Naturschutz und mit dem Wasserrecht vorangetrieben wird. All das haben Sie verweigert und haben insofern das Problem 20 Jahre hindurch prolongiert, weil Sie eine Monsterplanung durchdrücken und nicht eine umwelt- und menschenverträgliche Verkehrsplanung vorantreiben wollten. Das ist das Vergehen, das ist der Rechtsbruch, den Sie begangen haben.

Die dritte Dimension in dieser Angelegenheit ist die der Demokratiestaatlichkeit. Sie haben in diesem Ausschuß – das läßt sich auch sehr deutlich nachweisen – die Kontrollrechte der Opposition, die Kontrollrechte der gewählten Volksvertreter nicht in vollem Umfang walten lassen. Sie haben es verhindert, daß Sachverständige geladen werden. Sie haben es auch verhindert, daß Verantwortliche geladen werden.


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