Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 146. Sitzung / 83

Ich komme zum Schluß und möchte auch noch den Präsidenten des Europäischen Gerichtshofes zitieren. Mir ist schon klar, diese Leute sind bis zum 70. Lebensjahr bestellt. (Abg. Mag. Stadler – auf leere Sitzreihen bei SPÖ und ÖVP weisend –: Da sieht man ja, wie die SPÖ/ÖVP die "dissenting opinion" "interessiert"! Kein Mensch ist da! – Abg. Schieder: Dissenting Zuhörer!) – Weil sie offenkundig ohnedies alle in Kenntnis darüber sind, wie diese Willensbildung zustandekommt.

Aber ich möchte zum Schluß kommen und den Präsidenten des Europäischen Gerichtshofes zitieren, der sagt, daß nicht geleugnet werden soll, daß in Ausnahmefällen der Druck der öffentlichen Meinung wegen der nationalen Bedeutung eines Verfahrens zu einer Bedrohung der Unabhängigkeit des betreffenden Richters führen könnte, wenn die Voten öffentlich wären.

Meine Damen und Herren! Es geht aber nicht nur um die öffentliche Meinung, sondern es geht auch um die Einflußnahmen. Und wenn Sie das alles als unglaubwürdig hinstellen, dann muß ich Ihnen sagen: Herr Professor Barfuß ist, wie ich meine, über jeden Verdacht erhaben! Er ist einer der angesehensten Juristen dieses Landes, und es stünde Ihnen gut an, wenn Sie sich diesem Thema mit entsprechender Seriosität zuwenden würden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Im Hinblick auf den kleinen Kreis der Zuhörer ist das Präsidium ausnahmsweise großzügiger bei der Zulassung von Zwischenrufen, weil die Debatte fast schon Privatissimum-Charakter hat, es bedauert nur, selbst hiervon ausgeschlossen zu sein.

Zu Wort gelangt nun Herr Klubobmann Dr. Kostelka. 15 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.42

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wir können uns ja, wie der Herr Präsident schon gesagt hat, diesen Themen heute wirklich in privatester Atmosphäre – es hören uns ja "nur" der ORF, die APA und sonst noch einige an dieser Sache interessierte Kollegen zu – widmen. Herr Präsident! Ich bitte aber, feststellen zu dürfen, daß meine Zwischenrufe vorhin nur dazu gedient haben, den Vorredner zum Thema zu bringen. Ohne sie hätte er ja kein einziges Mal zum Thema zurückgefunden. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.)

In diesem Zusammenhang, Herr Kollege Krüger, möchte ich auch in aller Deutlichkeit sagen: Wer österreichische Zeitungen liest und den Zufall nicht so hoch veranschlagt, daß er annimmt, daß, wenn ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofes im Vorfeld oder im Nachfeld einer Entscheidung eine wissenschaftliche Veröffentlichung macht, das etwas anderes als eine "dissenting opinion" ist, dem ist klar, daß es "dissenting opinions" in Österreich schon längst gibt. Meine Damen und Herren! Sie erscheinen namentlich gezeichnet in den österreichischen Zeitungen!

Daher ist dies in Wahrheit eine Diskussion, die dem Versuch eines Etikettenschwindels nahekommt. Wir wollen diesen Etikettenschwindel nicht, sondern wollen, daß diese "dissenting opinions" dort erscheinen, wo sie hingehören, nämlich beim Erkenntnis selbst. Und dafür gibt es sehr, sehr gute Gründe.

Wir gehen nicht mehr von der Illusion aus, daß der einheitliche Wille eines Organs entscheidend ist für das Ansehen, das es in der Öffentlichkeit genießt. Das ist meiner Meinung nach ein sehr wesentlicher Punkt, weil dies in meinen Augen selbstverständlich präkonstitutionell ist.

Mit der Öffentlichkeit, mit der Transparenz des Abstimmens und dem Bekennen seiner Meinung haben wir die Kammergerichtsbarkeit, die der Willkür ja nicht nur ausgeliefert war, sondern sie sogar als Instrument verwendet hat, überwunden. Daher war von vornherein eines klar: Wenn es einen Gesetzgeber, der sich aus frei gewählten Repräsentanten zusammensetzt, zu geben hat, dann hat er das öffentlich zu tun.


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