Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 146. Sitzung / 85

Meine Damen und Herren! Ich möchte an die Adresse der ÖVP – Kollege Khol ist ja leider nicht da (Abg. Dr. Krüger: Der schwänzt schon längere Zeit!) – und an alle appellieren, die in diesem Zusammenhang noch Vorbehalte haben: Gewähren Sie Meinungsfreiheit! (Beifall bei der SPÖ.)

13.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Jung. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

13.50

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich war einer der wenigen Nichtjuristen, die an dieser Enquete teilgenommen haben, und habe in meiner Naivität anfangs gedacht, daß es bei dieser Frage der "dissenting opinion" im wesentlichen um die Möglichkeit geht, einem Höchstrichter die Chance zu geben, seine von der Mehrheitsmeinung abweichende Meinung zu äußern. Ich dachte, daß das eine Frage der Rechtstheorie, vielleicht eine philosophische Frage oder in erster Linie eine Zweckmäßigkeitsfrage ist, habe aber im Laufe der fortschreitenden Debatte erkennen müssen, daß auch dieser Bereich – wie fast alles in Österreich – zwischen zwei Parteien aufgeteilt ist, und daß das eine primär politische Frage ist.

Von der Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes, Frau Dr. Limbach aus Deutschland, wurden durchaus interessante Argumente für die Einführung der "dissenting opinion" aufgezeigt.

Sie konnte auch die Befürchtungen zerstreuen, daß das zu einem zu großen Arbeitsaufwand führen würde. Sie hat die Fälle aus Deutschland aufgezählt: Es sind etwa vier bis sechs Fälle pro Jahr.

Das kann also nicht das Argument sein, um das, was dafür spricht – das soll nicht geleugnet werden –, nämlich die bessere Nachvollziehbarkeit eines solchen Gerichtsentscheides, rundweg abzulehnen. Denn dies ist ein überlegenswertes Argument, zumindest aus der Sicht des betroffenen und rechtsuchenden Bürgers.

Allerdings hat sich die Bestätigung für die – das muß man leider auch sagen – Sinnlosigkeit dieser ganzen Veranstaltung einschließlich der Kosten, aber auch des Einsatzes der durchwegs hochwertigen Experten und Referenten, schon sehr bald, nämlich spätestens zur Halbzeit gezeigt, als die beiden Klubobmänner schon zu Mittag, als die Diskussionen noch voll im Gang waren, ihre vorgeprägten Statements abgegeben haben und dann verschwunden sind. (Abg. Mag. Stadler: Das ist jetzt wieder so! Der Leberkäse zieht sie in die Kantine!) – Ja, es erinnert sehr stark an die gegenwärtige Situation. Man hat anscheinend schon von vornherein gewußt, wie es ausgehen wird. Das Ganze war im Prinzip – und das ist bedauerlich – eine Showveranstaltung unter dem Motto: "Die SPÖ droht dem Verfassungsgerichtshof, und die ÖVP schützt ihren Besitzstand."

Leider muß man in diesem Zusammenhang schon sagen: Sie sehen die Verfassungsrichter mehr oder weniger als Ihren persönlichen Besitzstand und behandeln sie auch danach. Das geht in erster Linie auch aus dem Bestellungsmodus hervor.

Da sehen Sie auch den Unterschied zwischen Ihrer und der Freiheitlichen Partei: Wir erlauben uns, verschiedene Meinungen zu haben und darüber zu diskutieren. (Abg. Schieder: Und Sie dürfen bleiben? – Abg. Dr. Krüger: Er muß!) – Da habe ich keine Sorgen, Herr Kollege Schieder.

Ich verhehle durchaus nicht, daß ich dem Recht der Richter, abweichende Standpunkte zu haben, eine gewisse Sympathie entgegenbringe. Es gibt viele Pluspunkte, die dafür sprechen. Diese Maßnahme ist bereits in vielen europäischen Staaten, wie bereits gesagt wurde, eingeführt worden. Aber Österreich ist noch nicht so weit, hat Kollege Kostelka vorhin gesagt.

Ich kann Ihnen sagen: Österreich ist deswegen noch nicht so weit, weil bei uns der Parteienproporz in einem Ausmaß überhand genommen hat, wie in keinem anderen Land in Europa, und weil leider auch eine gewaltige Einflußnahme auf die Verfassungsrichter besteht. Zum Teil,


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