Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 146. Sitzung / 86

das muß man auch dazu sagen, ist das in der langjährigen Erziehung dieser Herren im österreichischen Rechtssystem begründet. Es hat sich auch ein vorauseilender Gehorsam entwickelt, das ist ein weiteres Negativum unseres Systems.

Ich sage es noch einmal: Ich stehe an und für sich dem Gedanken der "dissenting opinion" positiv gegenüber. Solange aber aufgrund des vorhandenen Systems dieser eminente Druck auf die Verfassungsrichter möglich ist, lehne ich eine Erweiterung oder eine Änderung der gegenwärtigen Rechtslage ab, da sie nur zu einer Vergrößerung des Parteieneinflusses führen würde, anstatt ihn zu verringern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.54

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! (Abg. Schieder: Sie fordern jetzt einen Intelligenztest!) Bei den Verfassungsrichtern bin ich mir wirklich sicher, daß ein solcher Test nicht notwendig wäre. Abgesehen davon haben sie ja eine so profunde juristische Ausbildung, Herr Kollege Schieder, daß wir ja nur davon träumen können. Leider haben wir sie nicht. Schade, daß Herr Kollege Kostelka jetzt nicht da ist. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.)

Wissen Sie, Herr Kollege Stadler, einmal – erlauben Sie mir ein Privatissimum – werde ich Gelegenheit dazu haben, Ihre Psyche offenzulegen. Wenn ich mir ab und zu Ihre Reden anhöre, insbesondere, was die Kultur anlangt, dann finde ich, Sie müssen ein wirklich tiefenpsychologisches Problem haben, und ich studiere schon Freud, um endlich einmal einen ähnlichen Fall zitieren zu können. Einmal kommt der Tag, an dem ich das tun werde, und darauf freue ich mich schon! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann natürlich über die Einführung und Veröffentlichung der "dissenting opinion" diskutieren, die in anderen demokratischen Rechtskulturen bereits besteht. Ich bin aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegen die Einführung, und zwar aus einem ganz einfachen Grund.

Es hätte jetzt den üblen Geruch einer Anlaßgesetzgebung, um eine für manche offensichtlich unangenehme Spruchpraxis zu domestizieren und subtile Einschüchterungsversuche vorzunehmen. Denn die Diskussion über die "dissenting opinion" ist in den letzten Jahren immer dann aktualisiert worden, wenn gewissen politischen Kreisen Verfassungsgerichtshoferkenntnisse nicht in den Kram gepaßt haben. Dies zeugt nicht von der in solchen Fragen erforderlichen Sensibilität und dem für die Gewaltenteilung einer funktionierenden rechtsstaatlichen Demokratie notwendigen Respekt vor den obersten Verfassungshütern.

Dieses Verhalten nährt neuerdings den seit Jahrzehnten schwelenden Verdacht, daß bei manchen Akteuren in diesem Haus ein gestörtes Verhältnis zur unabhängigen Justiz vorliegt. Das Wort "Klassenjustiz" ist schon allzu oft verwendet worden und der "Richterstaat" wurde ausgerufen – merkwürdigerweise immer dann, wenn Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof ein mißliebiges Urteil gefällt haben.

Herr Kollege Schieder! Wir können uns noch sehr gut noch an die Weisungspraxis der Justizminister von vor 1986 erinnern. Ich finde, daß es ein großes Verdienst dieser Koalition war, daß seit 1987 Parteiunabhängige mit der Führung des Justizministeriums betraut sind. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Frau Kollegin! "Vor 1983" lasse ich gelten, aber "vor 1986" nicht! Als Ofner Justizminister war, wollte man eine Weisung von ihm haben, aber er hat sie nicht gegeben! – Abg. Schieder: Sie läßt wiederum nicht "vor 70" gelten!) – Wir werden das historisch aufarbeiten.

Apropos Minister Ofner: Ich schätze Ihren Kollegen Ofner sehr, aber wenn Sie jetzt meinen, zu Zeiten des Kollegen Ofner wäre das anders gewesen, dann möchte ich Sie an etwas erinnern. Mir ist nur ein Spruch von ihm im Ohr, und zwar: "Die Suppe ist zu dünn." (Zwischenruf des Abg.


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