Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 146. Sitzung / 87

Mag. Stadler.) – Wir werden das noch einmal klären, Herr Kollege Stadler! Es wird mir ein Vergnügen sein. (Zwischenruf des Abg. Schieder.) Das ist beim Kollegen Schieder immer ein Reflex, aber bitte, meine Damen und Herren, ich möchte doch jetzt fortsetzen.

Nochmals: Ein klares Ja zur Gewaltenteilung, aber ein Ja zur "dissenting opinion" nur dann, wenn die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes das auch wollen und wünschen. Ich war die ganze Zeit während der Enquete anwesend und habe eigentlich keinen Verfassungsrichter gehört oder zumindest keinen Debattenbeitrag eines Verfassungsrichters so verstanden, daß er unbedingt die Einführung der "dissenting opinion" wünscht.

Meine Damen und Herren! Wir respektieren die Sprüche des Verfassungsgerichtshofes und auch die Wünsche dieses Höchstgerichtes, wenn diese im Interesse der Stärkung seiner Unabhängigkeit und im Interesse der Gewaltenteilung liegen.

Der Verfassungsgerichtshof genießt in der Bevölkerung glücklicherweise hohes Ansehen und großes Vertrauen. Dies ist besonders wichtig für das notwendige Vertrauen in die demokratischen Institutionen, ohne das eine stabile Demokratie nicht zukunftsfähig ist. Ich bin froh darüber, daß es wenigstens noch ein paar Institutionen gibt, die vertrauensbildend sind, denn in Österreich ist das allgemeine Vertrauen in die Institutionen – nicht zuletzt durch unsere Mitwirkung – ohnehin schon sehr beschädigt. Ich denke dabei besonders auch an das Ansehen dieses Hauses!

Abschließend, meine Damen und Herren, stelle ich fest: Die ÖVP ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegen die Einführung der "dissenting opinion". Wir sind aber gerne bereit, über dieses Thema weiter zu diskutieren. Wir würden uns insbesondere eine profunde Diskussion über die österreichische Bundesverfassung wünschen. Ich finde, daß dieses Gesetz einer dringenden Reform bedarf. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.59

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.59

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Es ist schade, daß die Aufmerksamkeit in dieser Debatte (Abg. Dr. Feurstein: Wir passen auf! Das ist eine Unterstellung!) – nein, ich meine jetzt nicht die Anwesenden – so gering ist. Die Enquete war wirklich sehr informativ, und ich möchte gerne von diesem Pult aus wenigstens einen Appell an alle Mitglieder dieses Hauses richten, die Dokumente der Enquete auch tatsächlich zu lesen.

Aber dieser Appell geht ins Leere. Diejenigen, die sich dafür interessieren, sind jetzt ohnehin da, sie waren teilweise auch bei der Enquete, aber diejenigen, die jetzt nicht da sind, waren auch nicht bei der Enquete. Man kann nur hoffen, daß die Unterlagen gelesen werden, weil sie wirklich sehr interessant sind.

Besonders interessant waren für mich die Ausführungen des Präsidenten des Schweizer Bundesgerichtes, weil er uns nämlich dargestellt hat, daß in einer alten und reifen Demokratie so eine Diskussion – darüber, ob Minderheitsvoten beim Verfassungsgerichtshof veröffentlicht werden dürfen beziehungsweise müssen oder nicht – deswegen gar nicht notwendig ist, weil dort die gesamten Beratungen des Gerichtes, in denen natürlich auch Minderheitspositionen vorgetragen werden, öffentlich sind.

In einem Land, in dem die gesamte Beratung öffentlich ist, braucht man natürlich eine "dissenting opinion", nämlich die Veröffentlichung einer untergegangenen Minderheitsmeinung, nicht in dem Ausmaß wie anderswo. Diese Ausführungen waren wirklich erhellend.

Mich haben sie auch deswegen gefreut, weil ich in der Debatte das Gefühl hatte, daß diese Worte des Präsidenten des Schweizer Bundesgerichtes Dr. Alexander Müller Überraschung ausgelöst haben. Viele, die zu dieser Enquete gekommen sind, haben zwar gewußt, daß er


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