Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 149. Sitzung / 95

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Die wahre staatsrechtliche Struktur eines Gemeinwesens enthüllt sich in der Handhabung der Sicherheitspolizei. Hier wird deutlich, wie es mit den heute in nahezu allen Verfassungen anzutreffenden wohltönenden Deklarationen von Freiheit des einzelnen und Menschenwürde bestellt ist. Hier finden sich die letzten Schlupfwinkel jener Staatsauffassung, die man mit dem Namen ,Polizeistaat‘ dem immer weiter an Boden gewinnenden rechtsstaatlichen Denken gegenübergestellt hat" (Ludwig Adamovich, 1970).

I.

Wie in den letzten Jahren immer wieder von Politikern, insbesondere den jeweiligen Innenministern, betont wird, ist in Österreich die Gesamtkriminalität gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. So auch im Jahre 1997 gegenüber 1996. Trotzdem wurden in den letzten Jahren die sicherheitsbehördlichen Befugnisse zur Überwachung der in Österreich lebenden BürgerInnen ständig ausgeweitet. Rechtsstaatliche Grundsätze werden durch polizeistaatliches Denken zurückgedrängt. So ist neben den kleineren Novellierungen des Sicherheitspolizeigesetzes (z.B. Schaffung einer Gefährdungskartei) insbesondere die Einführung des Lauschangriffes und der Rasterfahndung zu erwähnen.

Auch wenn nicht nachvollziehbar ist, warum angesichts zunehmender Aufklärungsquote neue Ermittlungsmethoden wie Lauschangriff und Rasterfahndung eingeführt werden mußten, so sind alle diese Befugnisse doch mit den grundlegenden Aufgaben der Sicherheitsbehörden in Einklang zu bringen. Die zuletzt vom Innenministerium vorgeschlagenen Befugnisse für die Sicherheitsbehörden, nämlich die allgemeine Gefahrenerforschung, die Sicherheitsüberprüfung und die Regierungsinformation sind mit den sicherheitsbehördlichen Aufgaben zum Schutz der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit nicht mehr zu vereinbaren. Der Schutz der öffentlichen Ruhe und Sicherheit verpflichtet die Sicherheitsbehörden zur Verhütung allgemeiner Gefahren. Die Gefahrendefinition knüpft nach Lehre und Rechtsprechung an gerichtlich strafbare Handlungen an. Demnach liegt eine sicherheitspolizeilich relevante Gefahr dann vor, wenn die Verwirklichung bestimmter Delikte des StGB unmittelbar bevorsteht oder schon begonnen hat. Den Begriff der öffentlichen Ordnung definiert der VwGH als ,die Gesamtheit jener ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Befolgung als unentbehrliche Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinander der Menschen angesehen wird‘. Außerdem gehört zu den Aufgaben der Polizei laut BVG die erste allgemeine Hilfeleistungspflicht. In einem modernen demokratischen Staat ist das Monopol legitimer physischer Gewalt mit dem Versprechen verbunden, für die Sicherheit aller seiner BürgerInnen zu sorgen. Das heißt, die Sicherheitsbehörden haben im Interesse und zum Schutz der einzelnen BürgerInnen unserer Gesellschaft tätig zu werden und nicht zur Aufrechterhaltung einer abstrakten Ruhe und Ordnung.

Einen wesentlichen Teil der Befugnisse betrifft die Ermittlung, Verarbeitung und Weitergabe personenbezogener Daten. Es handelt sich hiebei um einen der schwerwiegendsten Eingriffe in das Privat- und Familienleben durch die Sicherheitsbehörden. Laut Auskunft des Innenministers haben circa 27.000 Sicherheitsbeamte Zugang zu den verschiedenen Dateninformationssystemen des Innenministeriums. Pro Tag erfolgen circa 93.000 Zugriffe zu den verschiedensten Dateninformationsnetzen. Ob von den Sicherheitsbehörden personenbezogene Daten ermittelt werden oder nicht und in welchem Umfang personenbezogene Daten verarbeitet werden, darüber gibt es für die betroffenen Personen keine Informationen und auch keine Kontrollmöglichkeit. Wenn die Daten nicht gelöscht werden, können die betroffenen BürgerInnen auch nichts machen. So kann eine genaue Verkehrs- oder Grenzkontrolle Zufall sein oder Folge einer Datenermittlung durch die Sicherheitsbehörden aufgrund irgendeines Vorfalles. Der/die Betroffene weiß es nicht. Es gibt nach den gesetzlichen Bestimmungen keine Informationspflicht für die Behörden. Selbst bei widerrechtlich ermittelten Daten werden die betroffenen Personen nicht verständigt, wie zuletzt vom Innenminister in einer Anfrage erklärt wurde. Das in der EU-Datenschutzrichtlinie verankerte Widerrufsrecht setzt aber eine ausführliche Information in jeder Beziehung voraus.


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