Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 149. Sitzung / 100

abgelegt, wobei wenig Aussicht auf eine schnelle Überprüfung bestand. Auch die elektronische Überwachung war sehr arbeitsintensiv. Beispielsweise beschäftigte die ostdeutsche Polizei 500 000 geheime Informanten, wovon 10 000 ausschließlich dazu eingesetzt wurden, die Telefongespräche der Bürger abzuhören und niederzuschreiben.

In den achtziger Jahren entstanden neue Formen der elektronischen Überwachung, von denen viele auf die Automatisierung des ,Lauschangriffs‘ abzielten. Dieser Trend wurde in den USA in den neunziger Jahren durch erhöhte Regierungsausgaben am Ende des Kalten Krieges angekurbelt, wobei das Verteidigungsministerium und der Geheimdienst zur Rechtfertigung ihrer Budgets neue Aufgaben zugeteilt bekamen und ihre technologische Ausstattung auf bestimmte Bereiche der Strafverfolgung wie die Bekämpfung von Drogenhandel und Terrorismus übertragen wurde. 1993 unterzeichneten das US-Verteidigungsministerium und das US-Justizministerium Vereinbarungen über ,andere Einsätze als Krieg und Strafverfolgung‘, um eine gemeinsame Weiterentwicklung und Nutzung der Technologie zu ermöglichen. David Banisar von Privacy International stellt dazu folgendes fest: ,Computer- und Elektronikunternehmen expandieren als Reaktion auf die in den achtziger Jahren einsetzenden Kürzungen bei den Verträgen im Rüstungssektor auf neue Märkte – im In- und Ausland –, und zwar mit ursprünglich für militärische Zwecke entwickelten Geräten. Unternehmen wie E Systems, Electronic Data Systems und Texas Instruments verkaufen fortschrittliche Computersysteme und Überwachungsgeräte an Staats- und Lokalregierungen, die sie für die Strafverfolgung, für Grenzkontrollen und die Verwaltung im Sozialwesen einsetzen. Wovon die ostdeutsche Geheimpolizei nur träumen konnte, wird in der freien Welt schnell zu einer Realität.‘

2.1. Fernsehüberwachungsnetze (CCTV)

Die Technik der Fernsehüberwachung hat sich in den letzten Jahren rasch weiterentwickelt. Natürlich photographieren Polizei und Agenten immer noch Demonstrationen und Personen von Interesse, aber solche Bilder können zunehmend gespeichert und abgerufen werden. Dank der gegenwärtigen Entwicklung zur Ultraminiaturisierung sind solche Geräte jetzt tatsächlich unauffindbar und können sowohl von Einzelpersonen als auch Unternehmen und offiziellen Behörden mißbräuchlich eingesetzt werden.

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union vertreten ganz unterschiedliche Positionen im Zusammenhang mit CCTV-Kameranetzen, wobei in Dänemark derartige Kameras gesetzlich verboten sind, während es im Vereinigten Königreich bereits Hunderte von CCTV-Netzen gibt. Trotzdem sollte man sich auf einen auf dem Grundsatz des Datenschutzes basierenden, allgemein gültigen gemeinsamen Standpunkt zur Stellung der bestehenden Systeme einigen. Eine besondere Überlegung betrifft den rechtlichen Status der Zulässigkeit von digitalem Material, wie es von fortschrittlicheren CCTV-Systemen geliefert wird, als Beweismittel. Ein großer Teil dieser Materialien wird unter die Datenschutzgesetze fallen, wenn das gesammelte Material beispielsweise über ein Autokennzeichen oder über eine Uhrzeit abgerufen werden kann. Da das von solchen Systemen gelieferte Material unbemerkt editiert werden kann, muß die europäische Datenschutzrichtlinie in Primärrecht umgesetzt werden; so kann geklärt werden, welches Recht für CCTV gilt, um Verwirrung sowohl unter den Inhabern von CCTV-Datenbanken als auch unter den Bürgern als erfaßte Personen zu vermeiden. Das Primärrecht wird es ermöglichen, die Auswirkungen der Richtlinie auf Tätigkeitsfelder auszudehnen, die nicht unter das Gemeinschaftsrecht fallen.

Artikel 3 und 13 der Richtlinie sollten verhindern, daß der Einsatz von CCTV im Inland unter allen Umständen gerechtfertigt ist.

Die eigenen Verhaltenskodizes, wie beispielsweise jener der Local Government Information Unit (LGIU, 1996) im Vereinigten Königreich, sollten die besten Erfahrungen aller EU-Mitgliedstaaten berücksichtigen, um den Einsatz aller CCTV-Überwachungssysteme in der Öffentlichkeit und insbesondere in Wohngebieten abzudecken. Als erster Schritt sollte der Ausschuß für Grundfreiheiten offiziell in Erwägung ziehen, die Praxis und Kontrolle von CCTV-Systemen in den Mitgliedstaaten zu prüfen, um festzustellen, welche Aspekte der verschiedenen Verhaltens


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