Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 149. Sitzung / 105

Unterrichtung und Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten statt, damit gewährleistet ist, daß ihr vereinter Einfluß durch konvergierendes Handeln möglichst wirksam zum Tragen kommt.‘ Im Bereich der besonderen Beziehungen kann Großbritannien jedoch keine offenen Anhörungen mit seinen anderen europäischen Partnern durchführen. Die Situation wird weiter dadurch kompliziert, daß in der französischen Zeitschrift ,Le Point‘ die Gegenbehauptung aufgestellt wird, daß die Franzosen über den Helios 1A-Spionagesatelliten systematisch die Telefon- und Kabelverbindungen der Vereinigten Staaten und der anderen alliierten Länder überwachen (,Times‘, 17. Juni 1998).

Selbst wenn nur die Hälfte all dieser Behauptungen zutrifft, muß das Europäische Parlament Maßnahmen ergreifen, um zu gewährleisten, daß so mächtige Überwachungssysteme jetzt, da der Kalte Krieg zu Ende ist, auf Grundlage eines demokratischeren Konsens funktionieren. Natürlich entspricht die Politik der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Übersee nicht immer jener der USA, und im wirtschaftlichen Bereich ist Spionage nach wie vor Spionage. Keine Behörde der USA würde es einem ähnlichen Spionagenetz der EU ermöglichen, von amerikanischem Boden aus zu agieren, ohne diesem, falls es überhaupt geduldet würde, strikte Beschränkungen aufzuerlegen. Nach einer umfassenden Erörterung der Auswirkungen des Betriebs derartiger Netze sollte das Europäische Parlament geeignete Verfahren für die unabhängige Überprüfung und Überwachung schaffen; alle Bemühungen um ein Verbot der Verschlüsselung durch EU-Bürger sollten, falls ihnen überhaupt stattgegeben wird, solange zurückgestellt werden, bis demokratische und verantwortliche Systeme geschaffen wurden.

2.4.2. Globales Telekommunikationsüberwachungssystem EU-FBI

Ein großer Teil der Nachforschungen und Untersuchungen, die notwendig waren, um die Geschichte, Struktur, Rolle und Funktion des Abkommens EU-FBI zur Legitimisierung globaler elektronischer Überwachung bekanntzumachen, ist Statewatch zu verdanken, der hoch angesehenen britischen Organisation für Kontrolle und Forschung im Bereich der Grundfreiheiten.

Statewatch hat die Unterzeichnung des Transatlantischen Abkommens in Madrid beim Gipfeltreffen EU-USA vom 3. Dezember 1995 ausführlich beschrieben – einen Teil davon bildet der ,gemeinsame Aktionsplan EU-USA‘. In der Folge hat Statewatch festgestellt, daß diese Bemühungen einen Versuch darstellen, die Atlantische Allianz in der Ära nach dem Kalten Krieg neu zu definieren, wobei man mit Hilfe dieser Haltung mehr und mehr die Anstrengungen interner Sicherheitsbehörden zu rechtfertigen sucht, die in Europa zunehmend Polizeiarbeit übernehmen. Statewatch merkt an, daß der erste gemeinsame Aktionsplan zur Überwachung nicht im Rat für Justiz und Inneres erörtert wurde, sondern ausgerechnet im Rat für Fischereifragen vom 20. Dezember 1996 als A-Punkt (ohne Aussprache) nebenbei angenommen wurde.

Im Februar 1997 berichtete Statewatch, daß die EU die geheime Vereinbarung getroffen hat, ein internationales Netz zum Abhören von Telefongesprächen einzurichten, und zwar über ein geheimes Netz von Ausschüssen, die im Rahmen des ,dritten Pfeilers‘ des Vertrags von Maastricht für die Zusammenarbeit im Bereich der öffentlichen Ordnung gebildet werden. Die Hauptpunkte des Plans sind in einer Vereinbarung festgelegt, die 1995 von den EU-Staaten unterzeichnet wurde (ENFOPOL 112 10037/95 25. Oktober 1995) und die immer noch unter Verschluß gehalten wird. Dem ,Guardian‘ zufolge (25. Februar 1997) spiegelt er die Sorge der europäischen Nachrichtendienste wider, daß die moderne Technologie sie daran hindern wird, private Verbindungen abzuhören. Dem Bericht zufolge sollten sich die EU-Länder auf ,internationale Abhörstandards einigen, die eine Kodierung gewährleisten würden; andernfalls könnten verschlüsselte Wörter von Regierungsbehörden entschlüsselt werden‘. Offiziellen Berichten zufolge einigten sich die Regierungen der EU-Staaten darauf, eng mit dem FBI in Washington zusammenzuarbeiten. Frühere Protokolle dieser Sitzungen legen jedoch die Vermutung nahe, daß die ursprüngliche Initiative von Washington ausging. Statewatch zufolge müssen Anbieter von Netzen und den entsprechenden Diensten in der EU ,abhörbare‘ Systeme installieren und jede Person oder Gruppe überwachen, wenn sie einen Abhörbefehl erhalten.


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