Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 149. Sitzung / 112

Kumpane in der DDR nicht einmal träumen konnten! Wenn man das erkennt, dann wird einem schon ganz anders zumute.

Für sich genommen mögen ja viele dieser Dinge sinnvoll sein. Als Siemens etwa am Platz des Himmlischen Friedens ein Verkehrskontrollsystem etablierte, konnte Siemens nicht wissen, welche Folgen das haben würde, daß eben dieses Überwachungssystem später, im Jahre 1989, dazu dienen würde, Dissidenten systematisch aufzuspüren, zu verfolgen, einzusperren und zu vernichten.

Wir werden auf moderne Methoden der Verkehrsüberwachung und der Kontrollsysteme nicht verzichten können. Wir werden solche modernen Kontrollmethoden nicht verbieten können. Aber, Herr Bundesminister, unser ganzes Bestreben muß doch dahin gehen, die Möglichkeit des Mißbrauchs solcher Systeme zu verhindern, diese modernen Überwachungssysteme in ein rechtsstaatliches Gefüge einzubinden – ein Gefüge, das garantiert, daß bei uns in Österreich und in der gesamten Europäischen Union der "himmlische Friede" niemals ausbrechen kann!

Wenn man in der Novelle zum Polizeibefugnisgesetz oder in der Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz nach einer solchen rechtsstaatlichen Zähmung sucht, dann wird man nicht fündig. Dazu gibt es in der Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz nichts.

Was wir dort lediglich finden, sind neue Überwachungsvorschriften unter dem Titel "Sicherheitsüberprüfung" oder unter dem Titel "Regierungsinformation", und nur der weitestgehende Punkt, die sogenannte allgemeine Gefahrenerforschung, wurde von Ihnen, Herr Bundesminister, fallengelassen – aber nicht freiwillig, sondern weil Sie sich nach eigener Aussage vorläufig gegen die Bedenken des Justizministeriums und des Verfassungsdienstes nicht durchsetzen konnten.

Im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung wird praktisch jede Person, die nicht ausgesprochen untergeordnete Dienste ausübt, in Zukunft einer polizeilichen Überprüfung unterzogen werden können und unter Umständen unterzogen werden müssen, auch auf die Anfrage privater Firmen hin.

Herr Bundesminister! Sie werden erwidern, daß das nicht stimmt, weil die betroffene Person ja ihre Zustimmung zu geben hat. Aber in der gegenwärtigen Situation des Arbeitsmarktes frage ich Sie: Welche Person wird denn ihre Zustimmung verweigern können? – Das betrifft nicht nur die jeweils zu überprüfenden Personen, sondern auch deren Familienangehörige. Es kann gefragt und überprüft werden, wer mit wem wohnt und wie lange und wer der jeweilige Mitbewohner ist. (Ruf bei den Freiheitlichen: Neugebauer!) Ich glaube nicht, daß diese Aufgaben mit den herkömmlichen Aufgaben der Polizei in Einklang zu bringen sind.

Der zweite Punkt betrifft die sogenannte Regierungsinformation. Ich muß sagen: Wenn es nicht so tragisch wäre, müßte man direkt versuchen, ein Kabarett daraus zu machen! – Die Regierungsinformation dient dazu, alle Regierungsmitglieder – Landesregierungen, Landeshauptleute inbegriffen – über Umstände zu informieren, die zur Wahrung des Ansehens der Landeshauptleute sowie der Landes- beziehungsweise Bundesregierung von Bedeutung sind. – Ich wiederhole: zur Wahrung des Ansehens von Regierungsmitgliedern. – Ich frage Sie: Gibt es einen unbestimmteren Rechtsbegriff als diesen?

Es wird, so glaube ich, am kommenden Montag wieder einmal eine Ausstellungseröffnung hier im Parlament geben. Es könnte also, wenn dieses Gesetz schon in Kraft wäre, der Präsident des Nationalrates beispielsweise die Sicherheitspolizei beauftragen, alle angemeldeten Gäste – eigentlich auch alle unangemeldeten; es hat ja jeder freien Zutritt – daraufhin zu überprüfen, ob sie in der Lage wären, das Ansehen der Bundesregierung oder der Nationalratspräsidenten zu schmälern.

Ich kann nur sagen: Unter diesen Umständen ist es vielleicht angebracht, alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes zu informieren und ihnen zu empfehlen, jeden physischen, direkten und indirekten Kontakt mit Regierungsmitgliedern in Hinkunft zu meiden. Denn wenn sie das nicht tun, laufen sie Gefahr, auf Herz und Nieren, wie es so schön heißt, überprüft zu werden, was sie nicht alles in der Vergangenheit angestellt haben oder in Zukunft anstellen könnten. Man sollte


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