Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 149. Sitzung / 192

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Abänderungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.47

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! (Abg. Dr. Graf: Ihr seid ja auch für Studiengebühren, oder?) Ich bin ganz überrascht, mit welcher Verve hier die Gesamtstudien- und Universitätsdebatte geführt wird, sodaß ich es ja besonders leicht habe, ein ebenso in Diskussion stehendes Thema anzuschneiden und hiezu die Position der ÖVP zu skizzieren. Ich will das nicht in einen logisch notwendigen Zusammenhang mit der Studienförderung stellen, aber aufgetaucht ist diese Debatte jedenfalls, nämlich um das Bakkalaureat, zur gleichen Zeit.

Aus dem Ministerium selbst, im besonderen von seiten des Sektionschefs für Hochschulen, ist die Meinung zu vernehmen, daß wir uns unbedingt der Dreigliedrigkeit des amerikanischen Bildungswesens zu unterwerfen oder uns an diesem zu orientieren hätten. Ich glaube, da liegen wir schief, wenn wir das tun, und ich kann Anneliese Rohrer von der "Presse" recht geben, wenn sie aus unmittelbarer Kenntnis des amerikanischen Schul- und Studienwesens sagt, daß die durchschnittlichen Colleges und Universitäten die ersten drei Jahre brauchen, um die Studentinnen und Studenten etwa auf österreichisches Maturaniveau zu bringen. (Abg. DDr. Niederwieser: Das haben wir schon!) Das Maturaniveau haben wir schon, genau. Von dem gehen wir aus.

Wir haben im Land doch eine vier Jahre dauernde Debatte zum Universitäts-Studienrecht geführt und uns aus guten Gründen von den dreijährigen kulturwissenschaftlichen Studien abgewendet und gesagt: Es gibt für diese verkürzten Studien kein dezidiertes Berufsziel. Durch den Entfall der Kombinationspflicht und die dadurch ungenügende Ausprägung der Wissenschaftsorientierung kann das den jungen Leuten als Studium nicht zugemutet werden. Ich denke auch, daß wir richtig liegen, wenn wir uns europäisch orientieren, indem wir nämlich nicht der Fiktion einer Totalhomogenisierung des Systems aufsitzen, sondern viel mehr von dem tun, was wir heute auch machen, nämlich Studien anerkennen, Modulsysteme austauschen, respektieren und so weiter. Es geht also um Großzügigkeit in der Anerkennungspolitik. (Abg. DDr. Niederwieser: Und als Besonderheit: Latein!) Ich denke, daß es wichtig ist, hier nicht "Studienzeitkosmetik" oder "Studienstatistikretusche" oder sonst irgend etwas zu betreiben und die Abbrecher mit einem Titel zu versehen. Das ist nicht wirklich sinnvoll.

Ich glaube daher, daß das Bakkalaureat erst dann Sinn macht, wenn es ein definiertes und dezidiertes Studien- und Berufsziel gibt und wenn es darüber Verständigung gibt. Anzusetzen ist gemäß der Orientierung am amerikanischen System insofern, als man viel eher das berufsbildende mittlere und höhere Schulwesen ausbauen müßte, diversifizieren sollte.

Um die Brücke zum Studienförderungsgesetz zu schlagen: Ich denke, daß es ein Fortschritt ist, sagen zu können, wir haben nach dem letzten Strukturanpassungsgesetz in etwa 1 Milliarde Schilling an Leistungen zurückgenommen und jetzt einen gerechteren, wenngleich noch nicht – hier müßte man mit Platon fragen: was ist Gerechtigkeit? – einen absolut gerechten Weg gefunden.

Worin ist dieser Weg, den wir heute beschreiten, noch nicht ganz gerecht? – Einerseits gibt es noch keine Gleichstellung von studierenden Berufstätigen, die das in selbständiger Weise tun, und solchen, bei denen dies im Rahmen unselbständiger Erwerbstätigkeit erfolgt. Weiters gibt es noch keine Jahresdurchrechnung, die aber notwendig ist, weil in der Tat – da muß ich Herrn Kollegen Rada, einem meiner Vorredner, recht geben – die Projektorientierung einen anderen Umgang mit der Zeit erfordert.

Das ist für mich das Stichwort zu einem anderen Aspekt, nämlich dem der Berufstätigkeit selbst: Wie nimmt sich diese Frage überhaupt in der Wahrnehmung der Studenten aus? – Dem Bericht


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