Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 150. Sitzung / 109

Heute müssen Sie, wenn Sie als österreichischer Unternehmer einen Kredit einer ausländischen Bank bekommen wollen, in vielen Fällen mit Ihrer Bilanz ein Paket an Bewertungsgutachten mitliefern, um nachzuweisen, daß die vorhandenen Ansätze in der Bilanz – die historisch begründet sind, die Anschaffungswerte sind, welche aus einer Zeit viele Jahrzehnte vorher stammen – nicht mehr stimmen, sodaß die Kapitalausstattung des Unternehmens tatsächlich um ein Vielfaches besser ist. – Das macht doch, bitte, keinen Sinn!

Wir haben in Österreich im Jahre 1954 beziehungsweise 1955 den entsprechenden Schritt getan. Es war Finanzminister Kamitz, der das durchgesetzt hat: eine Schillings-Eröffnungsbilanz, um die nach dem Zweiten Weltkrieg verballhornten Bilanzen österreichischer Unternehmungen wieder dorthin zu bringen, wohin sie in der Realität gehören.

Große Unternehmungen haben es in den achtziger und neunziger Jahren über Schachtelkonstruktionen, über Holdingkonstruktionen gegen dieses Defizit – diese Unterbewertung, die durch das Handelsgesetzbuch erzwungen wird, diese Unterbewertung durch Verkäufe – zu einer realen Bilanzerstellung gebracht. Nur sehr wenige Aktiengesellschaften, die in den letzten Jahren an die Börse gegangen sind, hätten ohne diese Maßnahme jemals an die Börse gehen können, weil sie ja buchmäßig unterkapitalisiert waren.

Den Klein- und Mittelbetrieben unseres Landes ist dieser Wege immer versperrt gewesen. Daher richte ich noch einmal das Ersuchen an Sie, meine Damen und Herren des Hohen Hauses, sich der Frage einer Jahrtausend-Eröffnungsbilanz oder einer Jahrhundert-Eröffnungsbilanz – wie auch immer Sie es nennen wollen; ich habe es eben "Euro-Eröffnungsbilanz" genannt, aber in Wirklichkeit ist es gleichgültig, wie Sie es benennen – zuzuwenden und zu sagen: Geben wir den Klein- und Mittelbetrieben in Österreich die Möglichkeit, nach Vorlage von Gutachten sowohl ihr Grundvermögen als auch ihr unbewegliches und ihr bewegliches Anlagevermögen aufzuwerten!

Dazu müssen wir das strenge Niederstwertprinzip gemäß Handelsgesetzbuch für drei Jahre öffnen, um diese Aufwertungen gesetzlich zu ermöglichen. Darüber hinaus müssen wir selbstverständlich auch eine Aufwertungssteuer einführen. Das heißt, wir müssen für diese Aufwertungsgewinne – nicht bei Grundstücken, da sie nicht abschreibbar sind, sondern beim unbeweglichen und beweglichen Anlagevermögen – unserem Vorschlag nach 10 Prozent beim unbeweglichen und 15 Prozent beim beweglichen Anlagevermögen einheben.

Dann hat das Unternehmen selbstverständlich einen Geldabfluß zu verzeichnen – gar keine Frage –, es kann aber diesen Geldabfluß aufgrund der erhöhten Abschreibungsbasis in den nächsten 3, 4 oder 5 Jahren – je nach der Gewinnsituation – wieder neutralisieren. Der Effekt daraus wäre und ist, daß kleine und mittlere Unternehmungen, die künftig in einem größeren Wirtschafts- und Währungsraum arbeiten, ihre Bilanzen so darstellen können, wie sie inhaltlich wirklich sind.

Ich denke, daß diese Maßnahme sehr sinnvoll ist, und freue mich, Ihnen berichten zu können, daß sich bei der ersten Lesung, die wir vor über einem Jahr – am 19. September 1997 – durchgeführt haben, die damaligen Redner der anderen Fraktionen des Hohen Hauses im Prinzip positiv darüber geäußert haben, auch wenn einige von ihnen noch Bedenken hatten. Das Problem EU-Recht, das Dr. Gusenbauer damals angeschnitten hat, scheint mir ausgeräumt zu sein; ich sehe es nicht, ich kann es nicht erkennen.

Wenn Sie dieser Aufwertung zustimmen, ist dies selbstverständlich eine Aufwertung in der Handelsbilanz, die auf die Steuerbilanz durchschlägt, denn wir wollen ja das Prinzip aufrechterhalten, daß die Handelsbilanz maßgeblich für die Steuerbilanz ist. Die vorgeschlagene Maßnahme würde in manchen Bereichen sogar beide Bilanzen zusammenführen.

Wir sollten also die Details diskutieren, auch die Aufwertungsgewinne. Die Aufwertungsbesteuerung halte ich mit 15 Prozent auf bewegliches und mit 10 Prozent auf unbewegliches Anlagevermögen für sinnvoll. Wir haben es immer als Ziel bezeichnet, daß auf nicht mehr als die Anschaffungswerte aufgewertet werden sollte. Bei Grundstücken sollten nach Erstellung von Gutachten die Verkehrswerte herangezogen werden.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite