Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 152. Sitzung / 87

14.10

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Endlich scheint die Sonne über Einem – zumindest in der Schlagzeile. Endlich gibt es einen ersten Verhandlungsabschluß während der österreichischen EU-Präsidentschaft. Formal wurde etwas zu Ende geführt. Aber: Erstens ist es ein Scheinerfolg, und zweitens ist der Inhalt des Abschlusses höchst fragwürdig. Wir haben also mit diesem Vertrag praktisch nicht das vorliegen, was Sie, Herr Minister, als Erfolg bezeichnen, nicht das, was Sie, Herr Kollege, immerhin mit "anerkennenswertem Abschluß" umreißen, sondern wir haben mit dieser Übereinkunft im Prinzip die Aufgabe der Kostenwahrheit für die nächsten Jahre in der EU, die Kündigung beziehungsweise das Auslaufen des Transitvertrages und das Aus für die Ökopunkte ab dem Jahre 2003 festgeschrieben.

Sie haben einen Vertrag unterfertigt, der uns mehr oder weniger schutzlos dem zunehmenden LKW-Verkehr ausliefert, wenn nicht Kostenwahrheit eintritt. Die Kostenwahrheit haben Sie, Herr Minister, jedoch durch die Form der Euro-Vignette, wie sie jetzt beschlossen worden ist, nicht akzeptiert, nicht eingeführt, ja, Sie haben sie heute nicht einmal angesprochen. Es war für mich höchst bezeichnend, daß Sie heute kein Wort, keine Silbe, nicht einmal ein I-Tüpferl über die Euro-Vignette über die Lippen gebracht haben. Das ist nämlich die eigentliche Niederlage bei diesem Vertrag. Das ist mehr oder weniger der Handstreich, der den anderen Ländern gegenüber den Alpenländern gelungen ist. (Beifall bei den Grünen.)

Das muß man klar und deutlich hier und jetzt festhalten: Es handelt sich wieder einmal um eine Scheinlösung.

Konkret: Sie haben einen Erfolg hinsichtlich der Rücknahme der Klage erreicht – keine Frage. Nur, diesen Erfolg hätte man auch anders verbuchen können, wenn man dieses Mautstretching einfach früher in die Verhandlungen eingebracht hätte, und die Sache wäre erledigt gewesen. Auch eine Klage beim Verfassungsgerichtshof hätten wir uns eventuell ersparen können, wenn wir das Road-Pricing gesamtösterreichisch früher eingeführt hätten – 1998 war der ursprüngliche Termin – und wenn wir jetzt eine Ökosteuerreformdiskussion zündender vorantrieben, in der auch die fahrleistungsabhängige Kilometerabgabe einen fixen Bestandteil bildet. Hätten wir diese Diskussion, hätten wir solche Beschlüsse gefaßt, müßten wir weder wegen der Maut noch wegen irgendeiner Klage beim Verfassungsgerichtshof bangen. Sie aber gehen den Scheinweg, Sie gehen ins Abseits, Sie handeln sich nach einem Problem schon wieder das nächste ein, weil Sie nicht grundsätzlich arbeiten.

Da möchte ich noch einmal zum Grundsätzlichen zurückkommen. Herr Minister! Sie haben im Zusammenhang mit der Rückverlagerung des LKW-Verkehrs vom großen österreichischen Erfolg gesprochen. Nach Ihren Hochrechnungen werden das bald 200 000 LKW im Jahr sein. Ich sage Ihnen, das ist nur die Hälfte des Umwegtransits, und das geben Sie ja durchaus auch zu. Ich sage Ihnen außerdem, daß diese Rückverlagerung sehr schnell und früh kompensiert wird durch den Anstieg des LKW-Verkehrs insgesamt.

Nicht umsonst bittet Herr Kollege Kukacka Deutschland geradezu – mich freut es ja, daß es eine rot-grüne Regierung ist, die Sie bitten –, Bündnispartner zu sein, damit dort endlich die Kostenwahrheit auf der Straße Platz greift, damit es dort fahrleistungsabhängige Kilometergebühren gibt. Müntefering ist jetzt dafür, aber wer hat mehr oder weniger den Druck ausgeübt? Die Grünen waren es. Na schön, daß wir Ihre neuen Bündnispartner sind. Aber, bitte, dann machen Sie endlich in Österreich auch das, was wir schon lange sagen! (Beifall bei den Grünen.)

Noch etwas zum Problembereich Rückverlagerung, Umwegtransit. Ihre Graphik (die Rednerin zeigt eine Graphik), die Sie dankenswerterweise und mit unglaublicher PR-Intelligenz verteilt haben, zeigt für das Jahr 2005 ohne Abkommen 450 000 LKW, die den Umweg nehmen würden. Mit Abkommen sind es 390 000. Wenn man diese in Abzug bringt, dann bleiben 60 000 LKW als Ergebnis der Rückverlagerung im Jahr 2005 über. Bitte, was ist denn das für ein Ergebnis? Der Schweiz wurde sehr, sehr viel abgerungen. Die Schweiz hat jetzt die 40-Tonner um vieles früher akzeptiert. Die Schweiz konnte mit Müh und Not ein Nachtfahrverbot aufrechterhalten. Bitte, das haben wir am Brenner nicht! Wir haben zwar die doppelte Nachtmaut, die auch restriktiv wirkt,


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