Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 152. Sitzung / 186

Wenn Kollegin Reitsamer gemeint hat, daß es durchaus dem Prinzip der freien Arztwahl entspricht, wenn man bei dem Arzt, der im Ambulatorium behandelt, bleiben kann, auch dann, wenn man sich einen festen Zahnersatz machen läßt – das ist offenbar eine Ableitung aus der freien Arztwahl als Begründung, daß die Ambulatorien das erbringen dürfen –, dann kann ich nicht einmal lachen! Denn "freie Arztwahl" bedeutet, daß ich jederzeit freie Arztwahl habe und den Arzt wechseln kann, wenn ich will. Sie argumentieren jedoch mit dem ständigen Verbleiben bei einem Zahnarzt und bezeichnen das als "freie Arztwahl"!

Letzteres Argument hat auch etwas für sich; ich bin auch seit Jahren bei demselben Zahnarzt. Aber ich weiß, daß ich ihn jederzeit wechseln könnte und daß ich unter Mitnahme der Leistungen meines Sozialversicherungsträgers bei jedem anderen Zahnarzt dieselben Leistungen bekomme, weil ich nicht geneigt und bereit bin, einen Zahnarzt zu beschäftigen, der von mir mehr verlangt, als die Krankenkasse ihm ersetzt. So einfach ist das! Das ist meine Disposition! Und wenn ich die Disposition treffen würde, zu einem Zahnarzt zu gehen, der, nämlich auch privat, mehr verlangt, dann ist das auch meine Disposition. Dann bin ich aber wahrscheinlich kein Sozialfall. Aber die Sozialversicherung sollte allen Leuten, die darauf angewiesen sind, daß es funktioniert, die gleiche Leistung erbringen. Und das durchbrechen Sie jetzt!

Ich meine, Sie sollten sich wirklich überlegen, ob das Argument "zu teuer" ein Argument dafür ist, es überhaupt nicht zu tun. Wenn Sie sagen: Es ist zu teuer, daher können wir es jetzt nicht machen, wir müssen uns noch etwas einfallen lassen, wir müssen intelligenter verhandeln, wir müssen mit den Zahnärzten reden, ob nicht noch andere Wege offen sind im Sinne der Teilübernahme von Kosten, weil wir uns das tatsächlich nicht leisten können, dann könnte ich noch sagen: Gut, das ist vernünftig, das macht Sinn. Sie bringen jedoch das Argument "zu teuer", um Nischen zu bilden, in denen dann andere Privilegien vorfinden. Denn Sie wissen schon, daß die Damen und Herren des Hauptverbandes selbst von sich sagen: Wenn wir nicht in die Ambulatorien gingen, dann meinen unsere Versicherten vielleicht, daß wir nur ihnen zumuten, hinzugehen. – Und diejenigen, die im Hauptverband arbeiten, sind, wie wir wissen, keineswegs die Ärmsten der Armen!

Das heißt: Die soziale Indikation ist hier nicht wirklich gegeben. Daher werden Sie das Argument "zu teuer" noch bereuen. Sie haben zwar recht, aber die Art und Weise, wie Sie dieses Argument eingesetzt haben, hat Sie entlarvt. Und es ist bezeichnend, was die Sozialversicherungsträger alles sonst nicht zahlen: Wenn Sie zum Beispiel jemals in einem Hospiz waren, dann werden Sie wissen, daß aus der Philosophie der Sozialversicherungsträger in den Hospizen nicht der Tagsatz bezahlt wird, der dort notwendig ist, obwohl das nur ein Bruchteil von dem wäre, was in einer anderen stationären Einrichtung gezahlt wird, etwa in einer Intensivstation, wo Menschen auch zu Tode gebracht werden, wenn ich das einmal so zynisch sagen darf. In der Intensivstation wird gezahlt, weil es dort medizinisch indiziert ist, im Hospiz, wo Palliativmedizin betrieben wird, zahlen sie hingegen nicht wirklich: aus Kostengründen oder aus welchen anderen Gründen? – Wenn das Kostenargument ein Argument ist, dann ist das deswegen sehr gefährlich, denn dann könnte man auch sagen: Diese Operation ist ein bißchen zu teuer, das ist ein Sozialversicherter, wir können diese leider nicht vornehmen. Denn wenn das einreißt, daß sich alle operieren lassen, dann wird das zu teuer.

Das Argument "zu teuer" war ganz, ganz schlecht, das wollte ich Ihnen von diesem Pult aus mit aller Deutlichkeit sagen. Denn Sie wissen wohl, daß es auch Zahnärzte gibt, die auf dem freien Markt – wie Sie das nennen, im Ausschuß war das Wort "Markt" in diesem Zusammenhang gestern unheimlich oft zu hören – diese Leistung auch um 4 500 S erbringen. Das werden Sie wohl wissen! Die Ambulatorien werden dafür 5 500 S verlangen, werden sich weiterhin als gemeinnützige Einrichtungen definieren und werden weiterhin sämtliche Steuervorteile, die man hat, wenn man eine gemeinnützige Einrichtung ist, für sich lukrieren. Sie werden sagen: Wir zahlen eh Steuern, denn unsere Mitarbeiter, die bei uns angestellt sind, zahlen Lohnsteuer. Dazu sage ich: No na! Auch die Gehilfinnen des Zahnarztes, die ein Gehalt bekommen, zahlen Lohnsteuer. Der freie niedergelassene Arzt zahlt darüber hinaus auch noch weitere Steuern, das Ambulatorium hingegen nicht. Dieser Unterschied ist unfair, auch das sollten Sie bedenken! So geht man nicht mit Vertragspartnern um! (Zwischenruf des Abg. Dietachmayr.)


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