Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Gatterer. – Bitte.

10.59

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Karenzgeld für alle Mütter oder auch Väter ist ein dringend notwendiger Schritt zu mehr sozialer Gerechtigkeit. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel: Das wäre eine Sozialleistung aus dem FLAF – da waren Sie doch immer dagegen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Karenzgeldleistung ist nämlich in letzter Zeit – Kollegin Rosemarie Bauer und Herr Minister Bartenstein haben die Frage der Finanzierung ausführlich dargelegt – von einer Sozialleistung zu einer Familienleistung geworden. Wenn es das Familienministerium zu mehr als zwei Dritteln finanziert, kann man nicht mehr sagen, daß es sich dabei um eine Sozialleistung handelt. Sie haben gemeint, wir hätten gesagt, Sozialleistungen sollten nicht vom Familienministerium finanziert werden: In Wirklichkeit geschieht das schon längst! Das Karenzgeld ist heute nicht mehr nur eine Sozialleistung, sondern vor allem eine Familienleistung, und deshalb ist die ÖVP dafür, daß es ein Karenzgeld für alle Mütter gibt. (Beifall bei der ÖVP.)

Denn der einzige Unterschied, der jetzt besteht, liegt im Anspruch. Wer fällt durch das soziale Netz? Frau Kollegin Dr. Mertel, ich habe auch drei Beispiele:

Ich habe das Beispiel der 19jährigen Maturantin Ulla N., die nach der Matura auf Arbeitsuche ist und schwanger wird. Der Vater will eigentlich von der Beziehung nichts wissen. Sie hat keinen Anspruch. Ihre Eltern sind geschieden, sie hat auch von dort keine Unterstützung zu erwarten. Sie entscheidet sich für das Kind.

Ist das sozial gerecht, daß wir diese Schülerin – oder Maturantin – ausschließen? (Abg. Dr. Khol: Nach Frau Mertel ist es gerecht!)

Ein zweites Beispiel ist eine 22jährige Studentin, die ungewollt schwanger wird. Der Vater ist auch Student. Sie wollen zusammenbleiben, befinden sich aber beide erst in der Ausbildung. Sie hat im Sommer immer gearbeitet und hat gedacht, das wird reichen, sie wird den Anspruch auf Karenzunterstützung haben: Sie hat ihn nicht! Sie hat, Gott sei Dank, etwas begütertere Eltern, und die Eltern und die Großeltern unterstützen sie. Sie hat sich auch für das Kind entschieden. Aber ist das gerecht? Ist das die Vorstellung von der Selbständigkeit der Frauen, daß sie in dieser Situation auch als Mutter zur Gänze auf ihre Eltern angewiesen ist? (Abg. Dr. Khol: Nein!) Ich glaube wohl nicht, weil wir im Grunde immer für andere Bedingungen kämpfen. Es sind schließlich beide Alleinerzieherinnen! (Beifall bei der ÖVP.)

Als drittes Beispiel ist hier natürlich auch das Beispiel einer Hausfrau zu nennen. Sie ist 32 Jahre alt und lebt im ländlichen Bereich in Kärnten. Sie ist nach dem zweiten Kind aus dem Beruf ausgestiegen. Im Betrieb ihres Mannes wurden Arbeiter abgebaut, und so muß sie sich wieder am Arbeitsmarkt um Arbeit bemühen. Genau in dieser Situation wird sie schwanger. Sie hat viele Jahre eingezahlt, auch ihr Gatte, der jetzt arbeitslos ist. Sie fällt durch das soziale Netz. Auch hier frage ich die SPÖ-Kollegen: Ist das gerecht? (Abg. Dr. Khol: Nein! Ungerecht! – Zwischenruf des Abg. Leikam.)

Diese drei Beispiele zeigen also, daß die jetzige Situation unbefriedigend ist.

Wenn die ÖGB-Frauen sagen, Karenzgeld für alle ist ein soziales Verbrechen, dann sage ich: Die Ausschließung von wenigen, gerade sozial Schwachen, das ist die große soziale Ungerechtigkeit! (Beifall bei der ÖVP.)

Man spürt hier den Kärntner Wahlkampf – schade, ich hätte sonst eine tatsächliche Berichtigung gemacht –, denn ich hätte mir gewünscht, daß Dr. Haider aus diesem Falter weiterliest. Es ist nämlich so, daß die ÖVP Kärnten sehr wohl für die Einführung des Betreuungsgeldes steht, daß das Karenzgeld für alle Mütter der erste Schritt dazu ist und daß unser wirkliches Ziel darin besteht, das auszubauen.


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