Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 39

beitswelt nicht kennt, die Kindern daher nicht jene Begleitung geben kann, die man braucht, um so heranzuwachsen, daß man schon in dieser Phase Probleme wahrnimmt, die man sonst – abgeschirmt von der Wirklichkeit des Lebens – nicht bemerkt, und dadurch möglicherweise selbst Rollenbilder fortsetzt, die das eigentliche Übel dieses Problems sind. Denn – machen wir uns nichts vor! –: Solange in der Arbeitswelt eine derartige Einkommensschere vorherrscht, solange in den Köpfen und in den Herzen eine derartige Fixierung auf tradierte Rollenbilder vorhanden ist, werden Sie mit keiner dieser Ihrer Lösungen – und am allerwenigsten mit einer linearen – etwas bewirken.

Der Ausdruck "soziale Treffsicherheit" kommt in diesem Modell "Karenzgeld für alle" so und so nicht vor. Wenn man jetzt noch dazu berücksichtigt, daß der eigentliche Fehler, der hier sichtbar wird, in der Sozialpolitik liegt, nämlich im Alles-oder-nichts-Prinzip, das manchmal vernichtend zuschlägt, daß die zwanghafte Verkoppelung von sozialen Ansprüchen mit vorher innegehabter Erwerbstätigkeit das eigentliche Problem ist, sodaß die 19jährige Maturantin, die nie in der Arbeitswelt war, in unserer Konstruktion natürlich keine Ansprüche hat, dann wäre es meiner Ansicht nach gerade auch in diesem Zusammenhang angebracht, sich einmal konstruktiv und positiv dem Anliegen einer Grundsicherung zu nähern und dieses Thema einmal breit zu diskutieren, anstatt es immer mit der argumentativen Keule totzuschlagen! Das halte ich für einen wichtigen Punkt!

Ein schreiendes Ungerechtigkeitselement an diesem Karenzgeld für alle ist der Umstand, daß die Beiträge dazu ausschließlich aus der Arbeitswelt kommen, und hier wiederum ausschließlich in Form von Dienstgeberbeiträgen. Das wollen Sie jetzt ... (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein) – Herr Bundesminister Bartenstein, Zwischenrufe von der Regierungsbank sind zumindest ungewöhnlich. (Abg. Schwarzenberger: Aber zur Richtigstellung notwendig!) Ich will Sie nicht maßregeln, aber stehlen Sie mir nicht meine kurze Redezeit!

Das ist der eigentliche Konstruktionsfehler! Denn das Karenzgeld der 19jährigen Maturantin mit Arbeitgeberbeiträgen zu finanzieren, das finde ich tollkühn. Daher muß so etwas, wenn es Sinn machen soll, steuerfinanziert sein, Herr Bundesminister! Aus Steuermitteln muß so etwas finanziert sein, und nicht ausschließlich aus der Arbeitswelt, denn dadurch steigen nur die Lohnnebenkosten weiter an, und es erwachsen daraus negative Effekte auf die Beschäftigungslage. Das ist der springende Punkt!

Sie machen Wahlkampf pur! Sie geben Versprechungen ab, von denen Sie wissen, daß Sie sie nicht einlösen müssen, weil Sie in diesem Haus dafür keine Mehrheit haben. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Das finde ich nicht gut, denn damit werden die Leute in die Irre geführt, und das ist ganz, ganz böse. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

11.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Langthaler. – Bitte.

11.20

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Natürlich hat auch in diesem Haus der Wahlkampf begonnen, die Debatte hat das eindeutig gezeigt. Bei kaum einem anderen Thema gibt es so große ideologische Scheuklappen wie beim Thema Familienpolitik und Karenzgeld. Wenn man sich vor allem die Argumente der beiden Koalitionspartner anhört und versucht, eine sachliche Debatte dabei herauszufiltern, merkt man ja, daß beide in einigen Punkten natürlich recht haben, aber in einigen Punkten aus meiner Sicht vollkommen unrecht haben.

Natürlich hat die SPÖ recht, daß es vorrangig sein muß, Vereinbarkeit von Beruf und Familie vor allem für die Frauen zu schaffen. Selbstverständlich hat Frau Abgeordnete Binder recht, daß Karenzgeld per definitionem – wie sie es gesagt hat – eine Ersatzleistung für eine Tätigkeit ist, die man oder "frau" wegen der Betreuung eines Kindes nicht ausüben können. Aber natürlich hat auch die ÖVP dahin gehend recht, daß es unzumutbar ist, daß jede neunte Frau, daß Studentinnen oder Schülerinnen dann völlig ohne jede Regelung dastehen.


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