Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 53

12.11

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren von den gehörlosen Menschen, aber auch liebe Gäste auf der Galerie! Ich möchte mich zuallererst bei den Mitgliedern der Präsidialkonferenz dafür bedanken, daß sie diesen Tagesordnungspunkt an den Beginn der heutigen Tagesordnung gestellt haben – statt wie bei so vielen wichtigen Punkten an das Ende, die dann erst zu mitternächtlicher Stunde behandelt werden können –, sodaß damit auch ein wesentlicher Beitrag in der öffentlichen Bewußtseinsbildung für die Anliegen gehörloser Menschen geleistet werden kann.

Es ist ja in diesem Hause Gott sei Dank gute Tradition – und auch die österreichische Bundesregierung bekennt sich dazu –, daß Anliegen behinderter Menschen über parteipolitische Grenzen hinweg sehr ernst genommen werden und in diesem Hause auch verfolgt werden, so wie das die NGOs und auch viele andere Vereinigungen tun, die die Bewußtseinsbildung für die Bedürfnisse behinderter Menschen vorantreiben, wie zum Beispiel die Special Olympics, eine Vereinigung, welcher Bürgermeister Kröll als Präsident vorsitzt. Ich finde das gut so. (Beifall bei der ÖVP.)

"Gehörlos: Stille macht einsam", beginnt ein Artikel im "Kurier". Und weiters heißt es da: "Kein Telefon, kein Radio, keine Musik. Keine vertraute Stimme. Der lärmende Alltag der Hörenden mit seiner schnellen, selbstverständlichen Kommunikation ist für Gehörlose ein fremdes Land.

Gehörlosigkeit ist eine Behinderung, die man nicht sieht. Das ist Vor- und Nachteil zugleich: Vorteil, weil man oft ‚unerkannt? durchs Leben kommt, Nachteil, weil daraus Mißverständnisse resultieren. Verständnisprobleme werden von Hörenden manchmal mit ‚deppert sein? gleichgesetzt, die Worte ‚stumm? und ‚dumm? sind uralte Verwandte.

In Österreich leben ca. 490 000 Menschen mit Hörbehinderungen, davon sind rund 8 000 völlig taub. Die Zahlen sind vor allem bei jungen Menschen gestiegen." – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Es ist bekannt, daß bei gehörlosen Menschen gerade die zwischenmenschliche Kommunikation – Herr Kollege Guggenberger hat es ja schon angeführt – problematisch ist und daß Gehörlosigkeit oft einsam und mißtrauisch macht. Wir müssen daher alles dazu beitragen, daß Gehörlosigkeit überwunden und mit entsprechenden Maßnahmen kompensiert werden kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es gibt, meine Damen und Herren, einen Expertenstreit in der Frage, ob die Lautsprache oder die Gebärdensprache besser sei. Auch die Betroffenen sind sich da nicht immer ganz einig. Ich habe das vor mehr als 20 Jahren in bezug auf einen ganz anderen Bereich, nämlich bei meiner blinden Tochter, die damals nicht vollblind, sondern schwer sehgeschädigt war, persönlich erlebt. Es treten immer Probleme bei den Grenzfällen auf, wo man sich fragt, ob der Betreffende gehörlos oder bereits taub ist. Da hat man mir gesagt, meine Tochter soll entweder in der normalen Schwarzschrift lesen lernen oder die Blindenschrift lernen; beides sei nicht möglich. Sollte sie beides tun wollen, dann werde sie keines von beiden beherrschen. Ich mußte damals gegen die sogenannten Experten – gegen die sogenannten Experten, denn ich bin der Meinung, daß die besten Experten meist die Eltern sind, weil sie die meiste Erfahrung mit ihrem Kind haben – intensiv dafür kämpfen, daß beides möglich gemacht wurde. Es hat funktioniert, und meine Tochter – sie ist mit 20 Jahren dann vollständig erblindet – ist heute sehr froh darüber, daß sie in Kindertagen die Brailleschrift gelernt hat und daher jetzt im Erwachsenenalter damit sehr gut umgehen kann.

Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, bin ich der Meinung, daß die Gehörlosen bestimmen sollten, wofür sie sich persönlich entscheiden, und daß auch beides möglich sein sollte (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Mag. Stoisits), denn sie selbst wissen am besten, was gut für sie ist.

Meine Damen und Herren! Die Petition, die wir heute behandeln, stellt das Ergebnis der Beratungen über eine Petition dar, die der Gehörlosenverband eingebracht hat. Diese Beratungen


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