Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 95

15.01

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Lassen Sie mich eingangs, da das zu Beginn der heutigen Sitzung schon einige Diskussionen verursacht hat, ein paar Worte zur Begründung dieser Dringlichen Anfrage finden. (Abg. Mag. Peter: Die sozialdemokratischen Festspiele!)

Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat bei 154 Sitzungen des Nationalrates in der laufenden Legislaturperiode genau zwei Dringliche Anfragen gestellt. Im Schnitt bedeutet das: Nur jede 75. Sitzung gab es eine Dringliche Anfrage der führenden Regierungsfraktion. – Das werden Sie, so hoffe ich, wohl doch aushalten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es kann in diesem Zusammenhang auch in keiner Weise von einem Mißbrauch der Geschäftsordnung die Rede sein. Ganz im Gegenteil: Was für Sie bei Dringlichen Anfragen gilt, gilt auch für uns. Wenn es Mißbrauch gibt, wenn es dem Geist der Geschäftsordnung zuwiderhandelnde Vorgangsweisen gibt, dann ist das beispielsweise dann der Fall, wenn man in vier Jahren elf Sondersitzungen beantragt, oder, wie in den letzten Tagen immer wieder zu bemerken war, wenn Sie eine Einwendungsdebatte nicht als "Dringliche Anfrage" deklarieren. Das, meine Damen und Herren, ist Mißbrauch! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Ofner: Werden wir sehen, wer stärker ist: ihr oder ihr?)

In diesem Zusammenhang sei mit aller Deutlichkeit gesagt: Die Debatte über den österreichischen EU-Vorsitz ist sinnvoll und notwendig, und das wurde auch von allen Mitgliedern dieses Hauses und der Präsidiale grundsätzlich bejaht und akzeptiert. (Abg. Dr. Graf: Der Kanzler wollte freiwillig keinen Bericht geben, jetzt ist er gezwungen worden!) Es bestand auch Einvernehmen zwischen den Fraktionen, daß akzeptiert wird, daß sowohl Bundeskanzler Klima als auch Vizekanzler Schüssel am heutigen Tag nicht unter dem ersten Tagesordnungspunkt eine Erklärung abgeben können, weil sie einer Verpflichtung nachgekommen sind, die von Ihnen akzeptiert worden war, nämlich dem Europäischen Parlament in Straßburg gegenüber.

Diese Dringliche Anfrage, meine Damen und Herren, ist die Garantie dafür, daß die Debatte, die Sie ursprünglich eigentlich mit uns gemeinsam wollten, überhaupt stattfinden kann. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Das schlechte Gewissen spricht aus Ihnen! – Abg. Scheibner: Also doch ein Mißbrauch!)

Österreich hat die Präsidentschaft in der Europäischen Union am 1. Juli dieses Jahres übernommen, und wir haben uns von Anbeginn an zum Ziel gesetzt, daß das eine Arbeitspräsidentschaft zu sein hat, daß es nicht eine Präsidentschaft des Repräsentierens, sondern des Koordinierens und des Entscheidens sein soll, insbesondere in dreierlei Hinsicht: Beschäftigung, innere Sicherheit und die Rolle Europas in der Welt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Pörtschach und Wien stehen in diesem Zusammenhang für eine neue Dynamik in der Europäischen Union. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Sie mögen heute über die "Wiener Strategie" lächeln: Sie werden aber in Beobachtung der Geschichte der Europäischen Union feststellen müssen, daß das das Erfolgsrezept der Zukunft ist. (Abg. Mag. Schweitzer: Was ist denn die "Wiener Strategie"?) Wenn in Zukunft, in den nächsten zwei, drei Halbjahren, in den nächsten Präsidentschaften von einem der arbeitsreichsten Abschnitte in der Geschichte der Europäischen Union die Rede sein wird, dann ist damit die Wiener Präsidentschaft, dann sind damit die "Wiener Strategien" gemeint. Und das, meine Damen und Herren, ist etwas, worauf wir stolz sind und wofür wir Bundeskanzler Klima und Vizekanzler Schüssel danken möchten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Sie müssen in diesem Zusammenhang auch die Arbeitsweise der Europäischen Union berücksichtigen. Meine Damen und Herren! Erfolge, Beschlüsse, Entscheidungen in der Europäischen Union waren nie das Ergebnis von Pfingsterlebnissen, sondern stets das Ergebnis eines harten Ringens um Gemeinsamkeit. Es hat aus gutem Grund immer eine vorherige Zieldefinition, eine Zeitvorgabe und in der Regel eine Entscheidung in letzter Minute gegeben. Von diesen drei Kriterien sind in einer ganzen Fülle von Bereichen beim Gipfel von Wien Nummer eins und Num


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