Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 108

von uns erwarten kann, daß wir das durchziehen können. Wir müssen das analysieren und darlegen, daß wir Verständnis dafür haben.

Nehmen wir das schwierige Kapitel einer Gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik. Ich möchte hier besonders dem Vizekanzler für das danken, was er im Kosovo zustande gebracht hat. Daß wir dort heute noch lange keinen Frieden, aber wenigstens Waffenstillstand haben, der es der Bevölkerung erlauben wird, vielleicht einigermaßen menschlich – oder weniger unmenschlich – den Winter zu überstehen, für dieses besondere Engagement danke ich dem Vizekanzler im Namen der armen Bürger dieses Landes, das zerrissen ist, das noch immer von der Gefahr bedroht ist, jeden Tag wiederum mit Hunderten Toten, neuen Flüchtlingen und dergleichen mehr konfrontiert zu sein. Aber derzeit herrscht Waffenstillstand. Wir sind dankbar, Herr Vizekanzler, daß Sie es so weit gebracht haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Natürlich wünscht man sich, daß die Europäische Union in so einem Fall kraftvoll eingreift. Allein die Stellung der Menschenrechte gibt heute die Möglichkeit, dort einzugreifen, ohne sich mit Formalismen der Souveränität lange aufhalten zu müssen. Nur, meine Damen und Herren, eine gemeinsame Außenpolitik ist das Schwierigste, was wir in Europa zusammenbringen müssen. Ich persönlich bin davon überzeugt, daß es noch mindestens eine ganze Generation dauern wird, bis bei großen Konfliktfragen ein einheitliches, kraftvolles Agieren gegeben sein wird. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Daher halte ich es auch für sinnvoll, wenn sich gerade die Europäische Union sehr auf die mittleren und kleineren Konfliktfälle im Kosovo, in Albanien, wo auch immer sie passieren – es gibt genügend Beispiele in Europa –, konzentriert. Da kann man sehr vieles machen, sowohl bei der Konfliktprävention als auch nachher beim Wiederaufbau. Ein bestimmter Betrag zum Wiederaufbau Albaniens kann sehr rasch wirken, wird als spektakulär empfunden. Der gleiche Betrag in einer großen Konfliktsituation, wie zum Beispiel jener in Rußland, in der früheren Sowjetunion, ist weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber man könnte damit beginnen und zeigen, daß wir kleinere Konflikte bereits lösen können. Bei anderen müssen wir mitreden, mitbestimmen, aber wir sind noch keine eigenständige Kraft.

Das wird noch länger dauern, aber es ist ohnehin schon Spektakuläres an Gemeinsamkeit in Europa erreicht worden, wenn ich daran denke, daß man sich vor 40, 50 Jahren noch mit Haß oder im Krieg gegenüberstand. Ich glaube, eine nüchterne Beurteilung der Politik im Bereich der Außenpolitik und im Bereich der Sicherheitspolitik ist angesagt.

Zur Beschäftigungsfrage: Herr Bundeskanzler, ich teile Ihre Ansicht bezüglich des Akzentes, den Sie dieser Frage zuordnen – auch daß Sozialpolitik und Beschäftigungspolitik ein Teil der Sicherheitspolitik im weitesten Umfang sind. Wir laufen aber schon ein wenig Gefahr – ich habe mir das herausgeschrieben – mit dem Verlangen nach nationalen Aktionsplänen. Diese sollten zu einem gemeinsamen Beschäftigungsbericht führen. Es wird mitgeteilt: Nächstes Jahr schließen wir einen Beschäftigungspakt ab. – Da setzt dann irgendwo die Gefahr ein, daß die Menschen sagen: Es gibt immer neue Abkommen, aber wir hören nie Ziffern und Zahlen, was uns das gebracht hat.

Daß die allgemeine Politik sich darauf konzentriert und – wie Sie und auch der Herr Vizekanzler gesagt haben – zu einer Besserung der Situation beigetragen hat, ist richtig, aber von der EU ist zuviel angekündigt worden, um derzeit voll glaubwürdig zu sein, daß sich aufgrund des EU-Einflusses diesbezüglich etwas geändert hätte. Das müssen wir nüchterner sehen, sonst verlieren wir die Glaubwürdigkeit.

Für mich ist es ohnehin keine Frage: Es gibt keinen Bereich der Politik für Europa, bei dem nicht auch Solidarität und Sozialpolitik präsent zu sein haben. Ich kann mir keine andere Politik vorstellen. Schon wenn man die Aussagen der Gründerpersönlichkeiten analysiert und bei ihnen nachliest, spielte – abgesehen vom Friedensziel – bei allen auch das soziale Engagement eine wichtige Rolle, weil letztlich alle diese Politiken den Menschen zu dienen haben. – Soviel zur Beschäftigungsfrage.


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