Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 113

Habt ihr wieder einmal nicht zugehört? Immer diese Reflexe!) Eine solche Differenziertheit will ich versuchen – ich weiß nicht, ob es gelingt, aber ich will es versuchen –, in die Gesamtbeurteilung einzubringen.

Dennoch steht für uns Liberale der Umstand an der Spitze, daß diese EU-Präsidentschaft Österreichs wirklich nicht viel bewegt hat. Damit schließen wir uns der Meinung der allermeisten ausländischen Kommentatoren an. Das ist eine Realität! Allerdings gebe ich Österreich dafür nicht die alleinige Schuld, und ich halte es für notwendig, das auch festzuhalten. Der Wahlkampf in Deutschland trägt meines Erachtens einen maßgeblichen Teil an Schuld daran, daß nichts wietergegangen ist. (Abg. Mag. Stadler – auf leere Bänke in den Reihen der SPÖ weisend –: Da sieht man, was die Regierungserklärung der eigenen Fraktion wert ist!) Ich glaube allerdings, daß auch die Tatsache, daß es in immer mehr Ländern Spitzenpolitiker gibt, die lieber den leichteren Weg gehen, nämlich jenen, der Bevölkerung nach dem Mund zu reden, als den schwierigeren, Überzeugungsarbeit zu leisten, eine Rolle spielt. Das führt dazu, daß Verkaufsstrategie, vor allem gute Verkaufsstrategie, als das Wesentliche angesehen wird, und das – das muß ich schon sagen, Herr Bundeskanzler – immer öfter auch in Ländern, die sozialdemokratisch regiert werden! (Abg. Mag. Stadler – neuerlich auf leere Bänke in den Reihen der SPÖ weisend –: Da wollten sie sogar eine Regierungserklärung dafür haben!)

Es greift wie eine Seuche um sich, daß Verkaufsstrategie alles ist und man sich mit den Mühen der politischen Arbeit, nämlich der Gestaltung und Überzeugung, nicht mehr auseinandersetzen möchte. Und ich habe den Eindruck, daß man sich sehr wohl – und das ist einer der vielen Punkte, die im Gegensatz zu Ihrer Beurteilung stehen, Herr Bundeskanzler – immer mehr damit abfindet, daß der gemeinsame Markt zu einem gut Teil schon erreicht ist – überhaupt jetzt mit dem Euro –, und glaubt, daß man sich darauf zumindest eine Zeitlang ausruhen könnte, bis man die eigenen parteipolitischen Schäfchen im Trockenen hat.

Auf diese Weise wurde das Ziel dieses Projektes Europa tatsächlich aus den Augen verloren. Und ich bin nicht Ihrer Meinung, daß wir der Renationalisierung eine Absage erteilt haben, sondern das Gegenteil ist der Fall. Wenn Sie sich ansehen, wie mit den wesentlichen Punkten umgegangen wird, dann müssen Sie doch zugeben, daß die Tendenz eher in Richtung Renationalisierung und Populismus geht und eben nicht in Richtung der mühsamen Überzeugungsarbeit, dieses Projekt Europa wieder in Erinnerung zu rufen und weiterzuentwickeln. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es genügt nicht, die Überschriften außer Streit zu stellen. Das sieht man daran, wie zum Beispiel mit der Erweiterung umgegangen wird, wiewohl die Erweiterung Europas ein wesentlicher Baustein ist, um das Ziel zu erreichen, das Friedensprojekt Europa zu vollenden oder überhaupt herzustellen.

Wenn nun der Herr Vizekanzler immer wieder betont, daß unter der österreichischen Präsidentschaft immerhin die Aufnahme der Verhandlungen erfolgt sei, so muß ich dazu sagen: Das ist schon richtig, nur wissen wir doch, daß das Acquis-Screening abgeschlossen war. Das heißt: Hätte man nicht mit den Verhandlungen begonnen, dann wäre das ein klares negatives Signal gewesen. Aber es ist kein derart positives Signal, daß einmal damit angefangen wurde, noch dazu, da es möglich gewesen wäre, in dieser Frage mehr einzubringen. Ich hätte es für sehr notwendig gehalten, daß zum Beispiel an die Slowakei ein klares Signal gegeben wird. Nichts davon ist von Österreich ausgegangen, und ich werde nachher noch einige Bemerkungen zu den möglichen Signalen im Zusammenhang mit der Erweiterung machen.

Nichts ist auch nur in Angriff genommen worden, was die Institutionenreform betrifft. Ich erinnere mich noch gut daran, daß im Hauptausschuß nicht nur der Vizekanzler, sondern vor allem auch der Bundeskanzler gesagt hat, daß gar nicht die Absicht bestehe, über die Institutionenreform zu reden. Sie haben die Segel gestrichen, weil angeblich bei den anderen Ländern keine hohe Bereitschaft dazu vorhanden war, statt daß Sie sich bemüht hätten, eine solche Bereitschaft herzustellen, etwas vorzugeben, als Schrittmacher zu fungieren, wie es eigentlich auch die Aufgabe einer Präsidentschaft sein könnte.


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