Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 126

fördern und zu unterstützen? Das ist doch konträr zu dem, was Sie immer wieder betonen, nämlich sowohl in Ihrem Papier zur österreichischen EU-Ratspräsidentschaft als auch in Ihren Reden. (Beifall bei den Grünen.)

Ich würde mir sehr wünschen, daß Sie, Herr Bundeskanzler, und Sie, Herr Außenminister (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) – ich bin schon bei meinem Schlußsatz! –, auch zu diesem Faktum unter dem Blickwinkel der EU-Ratspräsidentschaft, unter dem Blickwinkel der Schwerpunktsetzung auf die Menschenrechte Stellung nehmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist als nächster Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Die Uhr ist auf 6 Minuten gestellt. – Bitte.

17.18

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jeder möchte das sehen, was am ehesten in seine politischen Kategorien und in sein Kritikschema paßt. Selbstverständlich ist es so, daß man als Verantwortlicher für die Präsidentschaft nach dem Ringen in erster Linie die Erfolge sieht. Wenn man aber die Strategie pflegt, daß von der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft nichts übrigbleiben darf, wie das einzelne Teile der Opposition machen, dann kann man auch keinen Erfolg zugestehen.

Angesichts dieser Debatte sollte uns klar sein, zu welchem Zeitpunkt wir diese Auseinandersetzung führen. Ich meine, daß, unabhängig davon, ob Österreich die EU-Ratspräsidentschaft innehatte oder nicht, das letzte halbe Jahr entscheidend für die Zukunft der Europäischen Integration war. Dieses halbe Jahr war deswegen entscheidend, weil sich Europa an einer Wegkreuzung befunden hat: Es ging dabei um die Entscheidung, ob der Euro das letzte Projekt der Europäischen Integration darstellt oder ob es darüber hinaus eine Integrationsperspektive gibt.

Wenn man den Brief, den noch im Frühjahr Kohl und Chirac geschrieben haben, liest und sieht, welche Schwerpunkte darin enthalten sind, dann muß man feststellen: Die Befürchtung des Bundeskanzlers, daß der Zug teilweise in Richtung Renationalisierung hätte fahren sollen, ist nicht unberechtigt. Wenn man im Vergleich dazu nun den Brief von Schröder und Chirac liest, dessen Basis die Diskussionen, die in Pörtschach stattgefunden haben, sind, wird einem völlig klar, daß sich die Europäische Union mit dem bisher erreichten Integrationsstand nicht zufriedengeben wird. Ganz im Gegenteil! Sie wird über den Euro hinausgehende weitere Integrationsschritte setzen.

Das ist das Entscheidende, das in diesem halben Jahr passiert ist: daß die Weichenstellung in Richtung weitere Integration erfolgt ist und die Gefahr des Rückfalls in Nationalismen gebannt wurde. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Tichy-Schreder.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der zweite Punkt: Selbstverständlich braucht man Visionen. Die Osterweiterung ist meiner Auffassung nach eine der wesentlichsten Visionen. Klar ist aber auch, daß man zur Verwirklichung der Visionen demokratische Mehrheiten in den Mitgliedstaaten schaffen muß, da das europäische Projekt letztendlich auf demokratische Zustimmung angewiesen ist. Weiters braucht man neben demokratischer Zustimmung auch Prinzipien, die nachvollziehbar, die gerecht sind.

Wenn es zum Beispiel eine Auseinandersetzung über die Finanzierung in der Europäischen Union gibt, dann ist das legitim, absolut legitim, denn, wie der deutsche Außenminister richtigerweise gesagt hat, auch die Kohäsionsländer, die in den letzten Jahren einen wirtschaftlichen Fortschritt durchgemacht haben, müssen zur Kenntnis nehmen, daß, wenn es zur Osterweiterung kommt, sie nicht mehr die ärmsten in der Europäischen Union sein werden, weil nämlich neue, ärmere hinzukommen, denen man stärker helfen muß als denjenigen, die bereits jetzt in der Europäischen Union sind. Gleichzeitig kann es nicht so sein, daß nur ein kleiner Teil der Mitgliedstaaten der Europäischen Union die gesamten finanziellen Lasten trägt, während jener Teil durchaus wohlentwickelter Staaten aufgrund gewisser politischer Sonderkonditionen versucht,


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