Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 159. Sitzung / 137

Meine Damen und Herren! Das Näherrücken der Welten, das Aufeinanderprallen von Kulturen und nicht zuletzt auch das Umfeld einer allgemeinen konservativen Strömung und einer fundamentalistischen Militanz konfrontieren uns zunehmend mit Menschenrechtsverletzungen genau vor unserer Haustür. Und es muß uns eines ganz klar sein: daß viele ausländische Menschen die Integration in unseren Staat und unsere Gesellschaft weder nachvollziehen können noch dürfen, weil kulturelle Prägung, religiöse Glaubensvorstellungen und auch politischer Fanatismus sie zu keiner freien und keiner eigenen Entscheidung finden lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist unsere Aufgabe, die Betroffenen aufzuklären. Es ist auch unsere Aufgabe, klare politische Vorgaben zu leisten, damit nur jenen Ländern finanzielle Hilfe zukommen kann, die diese Menschenrechtsverletzungen auch wirklich verbieten. Und es ist unsere Aufgabe, in unserem Land sicherzustellen, daß uns bekannt gewordene Straftaten angezeigt und auch Strafverfahren gegen diese brutalsten Verstümmelungen eingeleitet werden.

Falsch verstandener kultureller Liberalismus würde hier nur zu einer Verlängerung unmäßigen Leidens führen. Denken Sie an die Worte und an den Satz von Waris Dirie: "Keine Worte können meinen Schmerz beschreiben!" (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Amon. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.02

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler und Außenminister! Meine Damen und Herren! Eigentlich kann man bei dieser Debatte um diesen Entschließungsantrag, die eine sehr ernste Debatte ist, nur die Dramatik darlegen, die sich für jene Frauen – Kinder sind das ja noch zumeist – ergibt, die eine solche Beschneidung, eine derartige Nötigung über sich ergehen lassen müssen. Eigentlich kann es ja nur so sein, daß alle Parteien in diesem Haus ganz selbstverständlich diesem Entschließungsantrag zustimmen, der eine ganz wichtige Signalwirkung hat.

Wenn man – Frau Dr. Povysil hat es ja angesprochen – sich vorstellt, daß alljährlich zwei Millionen Frauen und insgesamt zwischen 135 und 137 Millionen Frauen auf der ganzen Welt davon betroffen sind – insbesondere in afrikanischen Staaten, aber nicht nur dort –, dann wird einem das Ausmaß dieser Verletzung von Rechten von Menschen erst so richtig deutlich.

Wenn man gegen diese Beschneidung mit den schweren Infektionen, die aufgrund mangelnder Hygiene entstehen, mit den tödlichen Komplikationen, die es dann bei der Geburt eines Kindes geben kann, argumentiert, dann mögen das schon auch wichtige Argumente sein, aber all das reduziert sich letztlich auf eines: daß es sich dabei um eine ganz, ganz schwere Menschenrechtsverletzung handelt, daß es sich dabei um eine ganz, ganz schwere Diskriminierung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts handelt.

Daher ist dieser Entschließungsantrag ganz besonders wichtig. Er ist wichtig, weil er dazu auffordert, daß wir uns verstärkt in internationalen Gremien dafür einsetzen, gegen diese Maßnahmen vorzugehen. Er ist wichtig, weil er darauf verweist, daß wir es in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit verstärkt zu einer Bedingung machen müssen, daß Entwicklungshilfe an Maßnahmen gekoppelt wird, die verhindern, daß es zu derartigen Beschneidungen kommt. Und er ist deshalb wichtig, weil er auch ausdrücklich darauf verweist, daß wir uns verstärkt innerhalb der Europäischen Union dafür einsetzen, daß es ähnliche Koppelungen geben möge.

Letzte Woche gab es einen Artikel im "Economist", in dem die Frage gestellt wird: Is it crime or culture? Ist es ein Verbrechen oder eine Kultur? – In sehr vielen afrikanischen Staaten ist es ja bereits ein Rechtsbestandteil, daß es zu keiner derartigen Beschneidung kommen darf, und trotzdem passiert es.

In diesem Artikel ist auch ein Politikwissenschafter namens Gerry Mackie von der University of Oxford zitiert, der sagt, daß das Strafrecht nur dann Hilfe bietet, wenn sich nicht die Mehrheit der


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