Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 159. Sitzung / 144

worden ist, was richtig ist, dem nichts mehr hinzuzufügen ist, was schrecklich genug ist, eine tatsächliche politische Tat folgen lassen wollen, dann müssen wir heute beschließen, alles in die Wege zu leiten, damit Österreich Verstümmelungen, drohende Verstümmelungen an Frauen, als Asylgrund anerkennt und diese Initiative in die EU trägt und in die EU hineinbringt.

Nur dann, wenn Sie einer solchen Entschließung auch jetzt Ihre Stimme geben, können Sie glaubhaft machen, daß Sie diesem schrecklichen Vergehen an den Menschenrechten, daß Sie diesem Unrecht auch wirklich Rechnung tragen. Denn es hilft nichts, wenn man in Europa aufklärt, Entsetzen kundtut und dagegen eintritt. Es hilft auch nichts – das ist schon gesagt worden –, das an die Mittel der Entwicklungspolitik zu binden, weil genau das kontraproduktiv ist. Man muß auch zeigen, daß es glaubhaft ist, indem man sagt: Wir können das als Asylgrund anerkennen.

Es wird trotzdem schwierig genug sein. Denn es gibt nicht viele Frauen in den Ländern der Dritten Welt, die es nach all diesen Aufklärungen wagen, dagegen aufzubegehren. Wenn Sie das Problem ernst nehmen, dann müßten Sie einer solchen Entschließung und einer solchen Abänderung, wie sie Frau Kollegin Gredler eingebracht hat, Ihre Stimme geben. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Posch mit einer gewünschten Redezeit von 4 Minuten. – Bitte.

18.34

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Der vorliegende Entschließungsantrag geißelt eine besonders grausame und erniedrigende Behandlung, eine besonders schwere Menschenrechtsverletzung, von der insgesamt über 130 Millionen Frauen betroffen sind. Jährlich fallen dem 2 Millionen Frauen zum Opfer, und das Problem ist längst kein afrikanisches Problem allein. Es sind allein in Frankreich etwa 30 000 Frauen jährlich davon betroffen. Auch in Deutschland sind insgesamt 20 000 Frauen betroffen, und in Österreich wird die Zahl auf etwa 1 500 Frauen geschätzt.

Diesem Bewußtsein trägt erstmals auch eine Deklaration der OAU, nämlich die Addis-Abeba-Declaration von 1997 Rechnung, die auch fordert, die Beschneidung unter Strafe zu stellen. In manchen Ländern sind bis zu 90 Prozent der Frauen davon betroffen, wobei diese Beschneidung zumeist im Kindesalter durchgeführt wird, mit allen möglichen Komplikationen und Folgen für die Gesundheit, so wie das meine Vorrednerinnen schon ausgeführt haben.

Zur Frage, warum das durchgeführt wird – Kollege Amon hat es angesprochen –, ob es ein Verbrechen oder ob es Kultur ist: Ich finde, was immer es auch ist – ob es ein Initiationsritus ist, ob es der Irrglaube ist, daß damit mehr Körperhygiene verbunden ist, oder ob es um die Eindämmung des Sexualtriebs geht oder um die soziale Kontrolle der Männer über die Frauen oder um Fragen der Moral –, es handelt sich dabei um eine besonders verabscheuungswürdige kulturelle Perversion. Ich meine das jetzt nicht herablassend aus der Sicht eines Europäers, sondern ich glaube, daß alles getan werden muß, um aufklärend dagegen tätig zu sein, weil es sich hierbei um eine besonders schwere Körperverletzung handelt, die alle Tatbestände für eine strafrechtliche Verfolgung erfüllt.

Der jüngste Fall in Frankreich ist ermutigend. Dort wurde eine Frau, die insgesamt 48 Beschneidungen durchgeführt hat, inzwischen zu acht Jahren Haft verurteilt, und es wurden auch die Eltern der beschnittenen Mädchen wegen Beihilfe verurteilt.

Ich glaube, daß diesbezüglich noch sehr, sehr viel getan werden muß. Einzelne Länder sind schon vorausgegangen, etwa die USA, wo es ein Gesetz gibt, daß Länder, die Beschneidungen durchführen, schwieriger Geld von der Weltbank oder vom IMF erhalten. In einigen Ländern wie Kanada, den USA und Schweden wurde unter diesem Aspekt bereits vereinzelt Asyl gewährt, und auch in der EU gibt es den positiv abgestimmten Lindeperg-Bericht vom Februar, in dem anerkannt wird, daß jede Person, insbesondere jede Frau, die im Umfeld von Kriegen oder anderen schwerwiegenden sozialen Unruhen Opfer von systematischer geschlechtsspezifischer


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