Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / 82

Geringer ‚Wertschöpfungsanteil‘: nur 47 Prozent der Arbeitszeit der Berater werden für den Kundenkontakt aufgewandt, überhaupt nur 10 Prozent der Arbeitszeit, und damit bloß 15 bis30 Minuten pro Fall, gehen in die direkte Beratung.

Die schlechte Organisationsstruktur bindet zusätzlich Zeit für Abstimmungsnotwendigkeiten, hinzu kommt eine mangelhaft ausgerüstete EDV.

Die BeraterInnen sind für die Anforderungen durch ihr Jobprofil nicht ausreichend qualifiziert, es gibt keine Qualitäts- und Betreuungsstandards für die unterschiedlichen Zielgruppen unter den Arbeitsuchenden.

‚Der größte Hebel liegt (...) in der Lösung der Schnittstellenprobleme‘ – damit meint die Studie das im AMS nicht gelöste aufbau- und ablauforganisatorische Problem der kaum vernetzten Sparten für Arbeitsuchende, für die Auszahlung der Versicherungsleistungen sowie für die Beratungsstelle von Unternehmen – Sparten, die überdies häufig disloziert an unterschiedlichen Orten bestehen.

Für Arbeitsuchende nimmt das AMS zwei unterschiedliche und nach Meinung der Liberalen unvereinbare Aufgaben wahr: die Stellenvermittlung einerseits sowie die Auszahlung der Versicherungsleistung andererseits, was AMS-Chef Herbert Buchinger einmal mit dem ‚Kampf‘ umschrieb, ‚auf der einen Seite die helfende und auf der anderen Seite die strafende Hand‘ zu sein (vgl. ‚Kurier‘, 5.9.1998). In seiner Vermittlungstätigkeit tritt das AMS jedoch quasi als Monopol auf, was mittlerweile sogar beim Generalsekretär der Wirtschaftskammer Stummvoll die Erkenntnis reifen ließ, die starren Strukturen und Barrieren für private Arbeitsvermittler seien aus dem Weg zu räumen (vgl. ‚SN‘ 11.2.1999). Eine überbürokratische und wettbewerbsverhindernde Gesetzeslage macht es derzeit nämlich unmöglich, daß private Arbeitsvermittler im größeren Rahmen ihre Dienste anbieten können.

Der Sonderfall AMS Wien

Die Partikularinteressen der einzelnen Fachgewerkschaften (Angestellte, Bau-Holz, Bekleidung, Lebensmittel u.a.) haben bisher verhindert, daß in Wien – im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern – die branchenspezifischen Facharbeitsämter in regionalisierte Geschäftsstellen umgewandelt worden wären. Dies führt dazu, daß Arbeitsuchende in Wien häufig aufgrund von Kompetenzunklarheiten sowie Zuordnungsschwierigkeiten zwischen den verschiedenen Facharbeitsämtern mehrmals hin und her geschickt werden.

Bemerkenswerterweise hatte der Wiener AMS-Chef Werner bereits 1996 eine ‚Langfristige Standort- und Organisationsplanung‘ für das AMS Wien vorgelegt, welche eine endgültige Auflösung der branchenspezifischen Arbeitsämter und deren Regionalisierung vorsieht: Für alle Geschäftsstellen ist in dem Papier ein ‚integriertes Leistungsangebot‘ vorgesehen, das heißt Arbeitsvermittlung, Auszahlung der Versicherungsleistung und Unternehmerservice an einer Stelle. Aufgrund massiver Proteste der Fachgewerkschaften, die um den drohenden Verlust ihres Einflusses wußten, verschwand dieses Konzept in den Schubladen. Zugleich erzeugte dieses Reformpapier einen Konflikt zwischen Landesgeschäftsführung Wien und den im entscheidenden Landesdirektorium sitzenden Gewerkschaftsfunktionären – eine Machtprobe, von der das oberste AMS-Gremium, der Verwaltungsrat, und selbstverständlich auch die Bundesministerin als oberstes Aufsichtsorgan Bescheid wissen mußten.

Während dem zuständigen Sozialressort die Fachgewerkschaften als blockierende Hauptakteure für eine Reorganisation des AMS Wien bekannt waren, äußerte die Sozialministerin im August 1998 öffentlich ihr Vorhaben, den Landesgeschäftsführer Klaus Werner durch den Bundesgeschäftsführer Herbert Buchinger zu ersetzen, ein Ansinnen, das nicht anders zu interpretieren ist, als den Fachgewerkschaften den Rücken zu stärken und die wahren strukturellen Probleme auf dem Arbeitsmarkt zu verschleiern und deren Heilung zu verhindern. Noch deutlicher äußerte sich zuletzt der Wiener Bürgermeister Michael Häupl, der noch nach der Bestätigung Werners in seinem Amt am 16.2.1999 auf dessen sofortige Absetzung drängte (APA, 18.2.1999). Abgesehen von den unsachlichen und fehlinformierten Äußerungen des ÖVP-


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