Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / 90

Diese wachsende Ratlosigkeit wäre normalerweise für eine Oppositionspartei etwas Erfreuliches, weil ratlose Regierungen eine bessere Wahlchance bedeuten, aber in diesem Fall ist die Wahlchance zu Lasten von arbeitslosen Menschen teuer erkauft, und ich meine, es wird Zeit, daß wir einen Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik schaffen, daß wir Reformen schaffen, daß wir umdenken, daß wir uns den Menschen wirklich zuwenden und nicht nur Sprüche von uns geben, wie: Ich bin nicht saldenfixiert, sondern menschenfixiert.

Ich meine, wenn jemand das überhaupt sagen muß, dann weiß er, daß er in Wirklichkeit saldenfixiert ist. Sonst müßte er nicht darauf hinweisen, daß er menschenfixiert sein möchte. Ich will menschenfixiert sein. Es müßte selbstverständlich sein, daß die Politik den Menschen gilt und nicht den statistischen Zahlen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Der Frau Bundesministerin wurde heute von den Sozialpartnern der "Pakt für ältere Arbeitnehmer" überreicht, ein Papier, das wir unserer Dringlichen Anfrage noch gar nicht zugrunde legen konnten, aber wir haben den Medien, den Presseerklärungen und den Erklärungen der Frau Bundesministerin entnommen, was darin steht und was davon zu halten ist. Dazu muß ich sagen, dieser "Pakt für ältere Arbeitnehmer" setzt leider nahtlos alle Fehler der bisherigen Politik fort. Nahtlos!

Die Frau Bundesministerin hat gesagt, er baue auf dem Bestehenden auf, und man könne die Welt eben nicht jeden Tag neu erfinden. – Das ist eine Absage an kreative Lösungen. Natürlich muß man auf dem Bestehenden aufbauen. Ich kann nur sagen, das ist eine Leerformel. Niemand ist der Meinung, man kann Arbeitsmarktpolitik dadurch verbessern, daß man alles Bisherige einfach wegwirft und noch nicht einmal weiß, was man will. Man muß die Kurve nehmen, man muß eine Reform machen, die eine Entwicklung bedeutet, und das heißt immer: auf dem Bestehenden aufbauen. Aber in der Wortwahl der Sozialpartnerschaft bedeutet das eine gefährliche Drohung. Da heißt es nämlich: das Bisherige beibehalten. Das ist so, als ob man, wenn Schrauben wackeln, ein neues Gewinde hineinschneidet, und wenn dann die Schraube nicht mehr hineinpaßt, rundherum Silikon schmiert und so tut, als ob das jetzt eine feste Verbindung wäre. Das ist schlecht! In Wirklichkeit muß man manchmal ganze Teile auswechseln und auch etwas Neues machen statt des Alten. (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger.)

Wenn man die Welt nicht jeden Tag neu erfinden will, dann darf das nicht heißen, daß man Abschied nimmt von kreativen Möglichkeiten.

Frau Bundesministerin! Wenn Sie gesagt haben: Wir machen nicht erst seit gestern aktive Arbeitsmarktpolitik!, dann frage ich Sie: Wo ist der Erfolg der aktiven Arbeitsmarktpolitik der letzten Jahre geblieben? Wo ist der Erfolg geblieben? Sind die statistischen Zahlen tatsächlich so, daß wir damit zufrieden sein können?

Wenn jemand sagt, er will die Welt nicht jeden Tag neu erfinden, übersieht er dabei, daß sich die Welt jeden Tag weiterentwickelt, daß wir inzwischen neue Berufsbilder haben, daß Berufsbilder sich auflösen, und daß, wenn man an bestehenden, starren Strukturen weiterhin festhält, keine Besserung zu erwarten ist.

Wenn Sie für die älteren Arbeitnehmer nicht mehr machen wollen, als das bestehende Bonus-Malus-System auszubauen, dann frage ich Sie: Wie erfolgreich war denn das bisherige? Bemerken Sie nicht, daß mehr vom selben nicht bedeutet, daß es besser wird, sondern daß nur derselbe Fehler verstärkt wiederholt wird? (Beifall beim Liberalen Forum.)

Oder: Wenn Sie meinen, Sie können durch Jungunternehmerförderung, die so gemeint ist, daß Sie Jungunternehmern die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer erleichtern, indem Sie das fördern, etwas bewirken, dann, muß ich sagen, sind Sie geradezu rührend naiv, denn wir haben das Problem, daß wir noch nicht genügend Unternehmensgründungen haben. Wir haben den Menschen Hindernisse für die Unternehmensgründung sonder Zahl aufgebaut, statt sie wegzuräumen. Die sind hinlänglich damit beschäftigt, überhaupt die Gründung zu schaffen. Glauben Sie, die Betreffenden haben in dieser Phase auch nur einen halben Kopf dafür frei, ob sie noch


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