Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / 113

Das Problem, das Sie bei Ihrer Graphik übersehen haben, ist die Struktur. Die Beschäftigungsstruktur, die Wirtschaftsstruktur und die Arbeitsmarktstruktur in Wien sind komplett anders als in Oberösterreich. Trotzdem können Sie hier mit Ihren Taferln mit den schönen Farben versuchen (Abg. Dr. Petrovic: Nicht schön, kein Grün!), so zu tun, als ob die Probleme identisch wären.

Sie wissen genausogut wie ich – und das ist Verdrehung von Fakten, Herr Abgeordneter Khol, wenn Sie das wider besseres Wissen machen (Abg. Koppler: Das ist ein christlicher Politiker!) –, Sie wissen genausogut wie ich, Herr Abgeordneter Khol, daß mindestens ein Drittel der Beschäftigten innerhalb der Wirtschaftsstruktur in Wien auf den öffentlichen Dienst entfällt. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Dr. Khol und Koppler.) Sie wissen genausogut wie ich, daß es in Wien – im Unterschied zu einem Bundesland wie Oberösterreich – für Beschäftigte oder Arbeitslose keine Möglichkeiten mehr gibt, in den öffentlichen Dienst zu wechseln, weil es dort einen Aufnahmestopp gibt.

Das heißt, wir haben zwar formell die Möglichkeit für, sagen wir, 1 Million Menschen in Wien, die beschäftigt sind, wieder in das Arbeitsleben zu wechseln. Aber ein Drittel davon ist öffentlicher Dienst, und wer dort herausfällt, der kann nicht wieder dorthin zurückkehren. Es fällt daher mindestens ein Drittel der möglichen Beschäftigungsplätze in Wien aus, weil es in diesem Bereich eine Sperre gibt. Das ist nicht wenig, Herr Abgeordneter Khol, mindestens ein Drittel!

Punkt zwei: Sie gehen einmal mehr her – und das zeigt nur, daß Sie nicht gern zuhören, Herr Abgeordneter Khol (Abg. Dr. Khol: Ich sitze ja die ganze Zeit hier! Ich höre Ihnen sogar sehr gern zu!) –, nehmen die hohe Zahl von NotstandshilfebezieherInnen in Wien her und fordern: Raus mit ihnen, rein in die Sozialhilfe! (Abg. Edler: 200 000 Einpendler mußt du erwähnen!) Was Sie fordern, Herr Abgeordneter Khol – ich habe heute versucht, Ihnen das zu sagen –, das wäre ungesetzlich. (Abg. Dr. Maitz: Warum können es denn die anderen auch?) Denn auch dann, wenn unter diesen Notstandshilfebezieherinnen und -beziehern eine relativ große Anzahl wäre, die arbeitsunwillig wäre, kann ich sie nicht aus dem Bezug bringen, sondern ich kann nur den Bezug befristet sperren. Befristet! (Abg. Dr. Khol: Und dann kommen sie doch in die Sozialhilfe!)

Nein, da kommen sie nicht in die Sozialhilfe, Herr Abgeordneter Khol! Sie haben das System offensichtlich überhaupt nicht verstanden. (Abg. Dr. Khol: Das stimmt ja nicht!) Es ist tragisch, daß Sie als Klubvorsitzender das nicht verstehen. – Sie können nicht in die Sozialhilfe kommen, weil sie zu Recht einen Anspruch auf Notstandshilfe haben. Der kann befristet gesperrt werden, aber dann bekommen Sie ihn Gott sei Dank wieder.

Herr Abgeordneter Khol! Was Sie hier fordern, ist noch brutaler! Sie wissen genau, daß die Leute in der Sozialhilfe nicht ankommen. Sie wollen die Leute auch noch um ihr weniges Einkommen überhaupt bringen, und das ist Brutalität pur. Wenn Sie das so machen wollen, wenn Sie das so meinen, Herr Abgeordneter Khol, dann müssen wir eine Debatte über das christliche Menschenbild der ÖVP führen! (Abg. Edler: Khol will keine Hängematte!) Dann ist es aber dringend – und das wäre wirklich einer Dringlichen Anfrage an die Adresse Ihrer Partei wert –, zu sehen, wie Ihr christliches Welt- und Menschenbild noch beschaffen ist.

Ich möchte die Bundesregierung und die Frau Bundesministerin trotz ihrer langen Ausführungen nicht aus der Verantwortung entlassen. (Abg. Koppler: Keine Zeit mehr!) Frau Bundesministerin! Sie haben sehr lange gesprochen (Abg. Meisinger: Und nichts gesagt!), und es ist Ihnen in der sehr langen Zeit Ihrer Rede nicht gelungen, die Einwände, die Kritik zu entkräften. Denn eine Trendwende bei den Arbeitslosenzahlen gibt es nicht, Frau Bundesministerin! Sie wissen das genausogut wie ich. Sie haben Zahlen über die Entwicklung der Arbeitslosen im Jänner genannt – und das ist in der Anfrage der Liberalen sehr vorsichtig angedeutet –, wonach die Arbeitslosigkeit rückläufig ist, und zwar laut Bericht vom Jänner im Ausmaß von ungefähr 800 Arbeitslosen. Sie haben gesagt, daß Sie daher eine Trendwende sehen.

Sie kennen so gut wie ich die vorläufige Vorstandsrichtlinie "Verpflichtende Eintragungen in der AMS-EDV", in der seit Dezember aufgetragen ist, daß jene Personen, von denen Herr Khol immer redet – die eine Sanktion wegen sogenannter Arbeitsunwilligkeit erhalten haben, die also


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