Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / 133

Ihre Antwort darauf ist bezeichnend und unterstreicht die Diskrepanz zwischen dem, was wir, alle fünf im Hohen Hause vertretenen Parteien, hier beschlossen haben, und dem, was Sie nach außen tragen, und der Art und Weise, wie Sie nach außen agieren.

Am 10. Juli 1997 bestand hier Konsens darüber, daß es gegenüber dem AKW Temelin Aktivitäten und internationale Kooperationen im Hinblick auf das Anbieten von Alternativprojekten geben muß. Am 10. Juli 1997 hat es auch darüber Konsens gegeben, daß es auf EU-Ebene zu Finanzierungsinstrumenten kommen soll, um den beitrittswilligen Staaten eine nichtatomare Alternative zu ermöglichen. – So lautete der Konsens am 10. Juli 1997.

Es gab weiters einen Fünfparteienkonsens am 27. Mai 1998, der wieder lautete: Baustopp des AKW Temelin, Alternativprojekte, EU-Finanzierung.

Am 7. Oktober 1998, ein halbes Jahr später, gab es im Zuge der Behandlung des Atom-Volksbegehrens hier wieder einen Fünfparteienbeschluß, der in dieselbe Richtung vorstieß und in dem vor allem und konkret Sie, Herr Außenminister, aufgefordert wurden, die Interessen aller Österreicherinnen und Österreicher, die Interessen aller Parlamentarier offensiv in Richtung Baustopp – ich unterstreiche: in Richtung Baustopp! – in Ihrem Brief an die tschechische Regierung zu deklarieren, zu formulieren und auf den Punkt zu bringen.

In Ihrer Anfragebeantwortung führen Sie aus, daß einerseits Parlamentarierbeschlüsse existieren und daß andererseits Minister Bartenstein und Ministerin Prammer bereits in Prag vorstellig wurden, daß Sie schließlich auch mit Herrn Minister Fischer Kontakt pflegen und daß Sie – und jetzt wird es interessant, und das ist der Hintergrund der Diskrepanz zwischen dem Fünfparteienkonsens und Ihrer Haltung – darauf dringen, daß es gilt, vorrangig internationale beziehungsweise europäische Sicherheitsstandards einzuhalten. Sie arbeiten in Ihren außenpolitischen Vorstößen darauf hin, daß Sicherheitsstandards das wesentliche Kriterium sind und nicht das, was hier beschlossen wurde, nämlich der Baustopp, und nicht das, was im oberösterreichischen Landtag beschlossen wurde, nämlich der Baustopp, und nicht das, was heute wieder in einer Resolution des oberösterreichischen Landtages klar und deutlich gefordert wird, nämlich Initiativen der Bundesregierung in Richtung Alternativprojekt und Finanzierung auf EU-Ebene.

Ihr Kollege, Landeshauptmann Pühringer, ist in Sachen AKW Temelin sicher ein offensiv agierender Politiker. Sie, Herr Minister Schüssel, sind – nach dem, was Sie in Ihrer Anfragebeantwortung laut werden ließen – ein sehr defensiver außenpolitischer Vertreter der Sicherheitsinteressen Österreichs.

An dieser Stelle lege ich jetzt meinen Finger in Ihre Wunde: Sie geben an – häufig, wiederholt, immer wieder gesagt, und zwar in verschiedenen Bereichen –, daß es in erster Linie Ihr Auftrag sei, die Sicherheit Österreichs zu gewährleisten. Ich frage Sie: Wie wollen Sie die Sicherheit Österreichs gewährleisten, wenn Sie nicht für einen Baustopp des AKW Temelin eintreten, wenn Sie in Prag nicht offensiver vorstellig werden, wenn Sie sich mit diplomatischen Formulierungen, mit eleganten Formulierungen mehr oder weniger aus der Affäre ziehen?

Ich darf in diesem Zusammenhang einen Satz zitieren: "... fühlt sich Österreich berechtigt und verpflichtet, mit Nachdruck für seine Interessen einzutreten." – Das ist wortwörtlich Ihre Anti-Temelin-Position in der Note, die Sie Prag überlieferten beziehungsweise zustellen ließen.

Wieso ist hier und jetzt dieses Thema so wichtig? – Sie wissen genau, daß innerhalb der nächsten drei, vier Wochen die endgültige Entscheidung darüber fallen wird, unter welchen Gesichtspunkten das AKW Temelin nicht fertiggestellt oder fertiggestellt wird. Bei keinem anderen Ost-AKW stehen und standen die Chancen so günstig, daß es zu einem Baustopp kommt und daß Alternativprojekte vorangetrieben werden. Jetzt gibt es bereits Vor-Expertenberichte über die Wirtschaftlichkeit. Diese Wirtschaftlichkeitsstudie wird gewisse Belange offenhalten, und es ist sehr initiativen und sehr couragierten österreichischen Experten zu verdanken, daß in diese Wirtschaftlichkeitsstudie auch kritische Elemente Eingang finden. Langfristig rechnet sich nämlich das AKW Temelin nicht.


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