Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / 137

österreichische Politik in Sachen AKW Temelin ist, nämlich ganz weiches Agieren, ein Anfassen der Leute dort drüben mit Samthandschuhen, obwohl der Grad der Bedrohung, der von diesem Kernkraftwerk ausgeht, allen bekannt ist.

Aber dieses sanfte Anfassen wird dort drüben nicht zur Kenntnis genommen. Das zeigt ein Bericht der österreichischen Bundesregierung, der auflistet, welche Bemühungen – Kollege Cap hat sie genannt – seit Jahren laufen, um in dieser Sache etwas zu erreichen. Die tschechische Seite hat aber auf die österreichischen Bemühungen meistens gar nicht reagiert – das ist schon so seit 1993 –, egal, ob die Interventionen persönlich oder schriftlich gemacht wurden.

Die Stellungnahme der Bundesregierung, die Sie, Herr Minister, mitverfaßt haben, ist Ihnen sicher noch bekannt. Sie ist ja nichts anderes als ein Eingeständnis dessen, daß in den bisherigen Verhandlungen betreffend das AKW Temelin keine Erfolge erzielt werden konnten.

Wir haben eine Möglichkeit nicht genutzt – eine Möglichkeit, die wir Freiheitliche vorgeschlagen haben; sie wurde in diesem Hohen Haus abgelehnt –, nämlich die Verbindung des Ausstiegs aus der friedlichen Nutzung der Kernkraft mit der Aufnahme von Verhandlungen über den Beitritt zur Europäischen Union.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß das die einzige Sprache ist, die die Verhandlungspartner auf tschechischer Seite verstehen (Beifall bei den Freiheitlichen), indem wir diese beiden Dinge miteinander junktimieren.

Warum diese Möglichkeit von der Mehrheit in diesem Hohen Hause nicht in Erwägung gezogen wurde, müssen Sie den Österreichern erklären, die sich – natürlich insbesondere jene an der Grenze – von diesem Kernkraftwerk bedroht fühlen.

Es gibt noch eine zweite Möglichkeit – Frau Kollegin Rauch-Kallat hat diese Möglichkeit angesprochen –: Es gibt von Herrn Pavlovec einen ökonomischen Vergleich zwischen der Fertigstellung des AKW Temelin und Alternativen dazu. Eine Möglichkeit wäre etwa die Realisierung eines Ersatzprogramms für Elektrodirektheizungen. Wenn dieses Ersatzprogramm realisiert würde, könnte man auf das Ans-Netz-Gehen des Kraftwerks Temelin ruhig verzichten. Dadurch könnte mehr eingespart werden, als dieses Kraftwerk an Energie produzieren würde.

Herr Außenminister! Es liegt nun an Ihnen, auf EU-Ebene entsprechende finanzielle Mittel aufzutreiben, um die Realisierung dieses Ersatzprogramms zu finanzieren. Wenn diese Mittel vorhanden wären, dann wäre damit, kann ich mir vorstellen, eine völlig neue Grundlage für die Verhandlungen mit den Kollegen in Tschechien gegeben. Herr Bundesminister! Ich erwarte mir von Ihnen, daß Sie heute zur Realisierung dieses Ersatzprogramms und zu seiner Finanzierung eine klare Aussage machen, damit man der österreichischen Bevölkerung die Chancen betreffend die Inbetriebnahme Temelins einmal klar und deutlich nennen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte.

18.32

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ein Junktim zwischen dem EU-Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer) – nein, ich möchte politisch dazu Position beziehen – und dem Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie haben wir von seiten der Liberalen deshalb nicht vertreten, weil es einfach sinnwidrig wäre, wenn es zwar in der Europäischen Union die Nutzung von Atomkraftwerken gäbe, man sie aber den osteuropäischen Staaten verbieten wollte. Darüber hinaus ist der Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten von der politischen Dimension her wichtiger, als dies zum Junktim mit einer einzelnen Frage zu machen, wenn auch die Bedrohung sowohl für die dort ansässige Bevölkerung als auch für uns groß ist.


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