Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / 170

20.36

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich halte dieses Gesetz für überfällig. Wir haben viel zu lange darauf warten müssen. Ich halte es für einen wesentlichen Schritt und für eine wichtige Weiterentwicklung der Strafrechtspflege.

Es ist eine Erweiterung des staatlichen Reaktionssystems auf strafbare Handlungen, und zwar eine Erweiterung, die es in vielen Ländern schon sehr lange gibt, unter anderem bei unserem Nachbarn Deutschland, und zwar schon seit über 70 Jahren, aber auch in Österreich, allerdings nur für Jugendliche, für Erwachsene nur als Versuch. Für mich und für die Liberalen ist der Zweck der Strafe die Sicherheit der Gesellschaft durch Sozialisation und manchmal Resozialisation der Täterinnen und Täter. In diesem Zusammenhang sind die Erfahrungen – ich möchte fast sagen: durchgängig – positiv. Es ist mir daher völlig uneinsichtig, daß wir in Österreich so lange darauf warten mußten.

Im Gegensatz – aber nicht nur in diesem Zusammenhang im Gegensatz – zu Kollegen Ofner bin ich der Meinung, daß dieses Gesetz sehr lange diskutiert worden ist und daher sehr ausgereift ist. Seit dem Jahre 1992 gibt es bei uns konkretere Diskussionen darüber. Es hat sich die Strafrechtslehre damit auseinandergesetzt. Es haben sich Tagungen – ob solche der Richter oder solche der Bewährungshilfe, alle möglichen waren es – damit auseinandergesetzt. Das Justizministerium hat im Juli 1997, also auch schon vor über eineinhalb Jahren, den Entwurf einem Begutachtungsverfahren zugeleitet, das mit Oktober 1997 geendet hat. Seitdem lag das unerledigt da.

Es ist meiner Meinung nach auch deshalb liegengeblieben, weil die ÖVP – und Argumente sind ja keine neuen dazugekommen – bisher abgeblockt hat. Insofern bin ich inzwischen durchaus erstaunt, daß es dort ein Umdenken gegeben hat, weil ich nicht weiß, welche Argumente da noch dazugekommen sind. Aber wir haben es wenigstens jetzt, und wenn es schon so lang gedauert hat, bis diese Vorlage ins Parlament gekommen ist, so haben wir zumindest noch etwas gemacht, wiewohl schon ausdiskutiert: Wir haben auch im Justizausschuß ein Hearing gemacht.

Dieses Hearing hat bestätigt, was ich jedenfalls davor schon gewußt und so eingeschätzt habe, nämlich die positiven Erfahrungen mit der Diversion. Der Tenor sämtlicher Experten war der, daß durch die Diversion eine sehr hohe Einzelfallgerechtigkeit – ich halte das für einen wichtigen Aspekt – und eine Minimierung der Rückfallsquote – auch das halte ich für einen wesentlichen Aspekt – herbeizuführen ist.

Es geht dabei selbstverständlich um keine Entkriminalisierung. Diejenigen, die hier durch merkwürdige Zwischenrufe zu verstehen geben, daß sie das nicht begreifen wollen, mögen sich einmal des Gesetz anschauen. Es kann nicht um eine Entkriminalisierung gehen, wenn die Strafbarkeit der Handlung außer Streit bleibt. Die Handlung bleibt strafbar! Es gibt durch die Diversion auch keinen Verzicht auf ein Strafverfahren. Aus diesen Gründen ist es keine Entkriminalisierung, wie immer man es auch darstellen mag. Die Realität ist anders.

Dazu kommt, daß dieses ... (Abg. Dr. Ofner: Aber es gibt kein Strafverfahren! Schau nur in die Vorlage!) Das habe ich wohl getan. Du solltest deinen Kollegen sagen, daß sie einmal hineinschauen sollen.

Diese Art der Strafverfolgung – und ist eine Art der Reaktion – dient sehr wohl der Spezialprävention. Das halte ich für ganz wesentlich. Die Einschätzung – die aus freiheitlichen Reihen kommt –, daß diese Diversion der Generalprävention entgegenwirke, ist insgesamt widerlegt durch alle Länder, in denen es hohe Strafandrohungen gibt und in denen die Kriminalität trotzdem nicht hinuntergeht. Das heißt, daß die Mär der Generalprävention durch abschreckende Strafen durch die Realität eindeutig widerlegt ist. (Abg. Dr. Krüger: Das sieht man am Beispiel New York!) Man sieht es auch am Beispiel New York, genauso ist es. (Abg. Dr. Graf: ... Beispiel! Das hat auch mit der multinationalen Gesellschaft in New York zu tun!)

Wesentlich ist aber auch, daß die Diversion dem Opferschutz dient. Sie dient dem Opferschutz deshalb, weil damit der Aspekt der Wiedergutmachung sehr wohl ausgeprägt berücksichtigt


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite