Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 162. Sitzung / 55

Meine Damen und Herren! Überstunden generell sind für viele ArbeitnehmerInnen eine fixe Kalkulationsgröße, ein Einkommensbestandteil. Trotzdem sind sie, wage ich zu behaupten, für die Dienstgeber wesentlich attraktiver, weil billiger, als ein zusätzlicher Arbeitsplatz, und damit geraten die Dienstnehmer bei der angespannten Arbeitsmarktsituation mehr und mehr unter Druck.

Ich möchte auch nicht verschweigen, daß die ausgegliederten Bundesbetriebe dafür meiner Meinung nach ein negatives Beispiel liefern. Bei Bahn und Post werden pro Woche pro Person bis zu zehn Überstunden geleistet, andererseits werden Menschen mit Hilfe von Sozialplänen in die Frühpension "entsorgt". Das kann so nicht funktionieren, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Gaugg.) – Keine künstliche Aufregung, ich habe von ausgegliederten Betrieben gesprochen! (Abg. Gaugg: Unfaßbar!) – Ja, fassen Sie sich ruhig!

Ich möchte mich noch etwas mit der Armutsgefährdung auseinandersetzen. Ich werde die Zeit, um die ich jetzt meine Redezeit überziehe, bei meiner nächsten Rede einsparen, Herr Präsident.

13 Prozent der Bevölkerung leben unter den bekannten Einkommensgrenzen – hier gibt es aber Unschärfen bei Vermögen und bei Unterhalt –, und bei 5,2 Prozent trifft einer von drei Armutsindikatoren zu. Hauptbetroffen sind Alleinerzieher. Da spielen die Unterhaltsfragen und auch der unterschiedliche Einkommensbegriff eine besonders große Rolle, meine Damen und Herren. Unterhalt ist nicht gleichzusetzen mit einem Pensionseinkommen und so weiter.

In bezug auf die Mehrkinderfamilien muß ich folgendes sagen – da komme ich wieder zur Forderung "Karenzgeld für alle" –: Es ist doch wesentlich gescheiter, den Alleinerzieherinnen wieder den Karenzgeldzuschuß zu geben und für jene Familien, die es brauchen, eine zusätzliche Leistung vorzusehen. (Zwischenruf der Abg. Steibl.) Ich wünsche mir, daß wir uns letztendlich durchsetzen werden.

Eine Arbeitsgruppe im Bundesministerium beschäftigt sich mit Armut und ihren Auswirkungen. Das Ergebnis wird sicher einige gute Vorschläge beinhalten. Aber, wie gesagt, eine Grundvoraussetzung ist die Definition des Einkommensbegriffs – ich sage das noch einmal –, weil davon auch abgeleitet werden kann, was zum Beispiel der zumutbare Wohnungsaufwand ist.

Ich bringe Ihnen ein Beispiel dafür, daß Armut nicht gleich Armut ist. Ich kenne eine 70jährige Dame, die eine dreistöckige Villa am Wolfgangsee und eine Eigentumswohnung hat, aber trotzdem bitterarm ist, weil sie davon nicht abbeißen kann, kein eigenes Einkommen und keine eigenständige Alterssicherung hat, da sie aus einem guten Haus abstammt und geglaubt hat, sie würde das nicht brauchen. Sie will aber den Besitz, den sie hat, für ihre Enkelkinder erhalten.

Es ist daher entscheidend, daß alle Menschen Zugang zu Arbeitseinkommen haben, und daraus resultiert eine eigenständige Alterssicherung. All das, was Frauen zurück an den Herd bringt – die Tendenzen gehen derzeit in diese Richtung –, ist aus meiner Sicht kontraproduktiv.

Immer wieder wird das Beschäftigungspotential in den sozialen Berufen angesprochen, ich möchte daher noch ganz kurz auf das Pflegegeld eingehen. Laut Expertenschätzungen sind 5 Prozent der Bevölkerung pflegebedürftig, 0,5 Prozent davon werden durch institutionelle Betreuung abgedeckt. Eine Verdoppelung – ein Experte der Kammer spricht von einer öffentlichen Grundfinanzierung – würde 8 500 Arbeitsplätze bringen.

Zur Grundfinanzierung sei gesagt, daß das ein Nullsummenspiel wäre, würde man das Pflegegeld effizienter einsetzen – das kann ich ganz ehrlich sagen –, denn der Bedarf ist gegeben. 12 Prozent der Pflegegeldbezieher nehmen soziale Dienste deshalb nicht in Anspruch, weil es an regionalen Angeboten mangelt. Aber 16 Prozent, meine Damen und Herren, behaupten, die sozialen Dienste wären zu teuer. Das kann ich nicht nachvollziehen, denn ein Pflegegeldbezieher in Salzburg zahlt für eine Stunde eines mobilen Hilfsdienstes nur 50 S von seinem Pflegegeld – ich kann Ihnen da ganz interessante Berechnungen vorlegen. Ich nehme an, daß diese Äußerungen eher Äußerungen von Angehörigen und nicht von direkt Betroffenen sind.


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