Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 162. Sitzung / 71

daß die Höhe der mittleren Notstandshilfezahlungen gegenüber 1996 gleich geblieben ist – aber immerhin.

Ich möchte es hier noch einmal ganz deutlich sagen: Wenn das System bei steigender Zahl von Arbeitslosen dadurch reagiert, daß die Zahlungen an die Arbeitslosen sowohl im Median als auch im Mittelwert sinken, dann ist Feuer am sozialpolitischen Dach! Denn das heißt, daß wir dieses Problem nur noch dadurch bewältigen können, daß wir damit anfangen, den direkt Betroffenen die direkten Leistungen zu kürzen. Es ist daher kein Wunder, daß sich die Befunde anschließend spiegelverkehrt im Armutsbericht abbilden und daß letztlich die Zahl derjenigen, die von Armut bedroht oder schon unmittelbar betroffen sind, weiter steigt.

Daß innerhalb dieser Personengruppe die Frauen überproportional vertreten sind – und die älteren Frauen mangels eigenständiger Pensionsabsicherung noch "überproportionaler" –, daß Alleinerzieherinnen überproportional betroffen sind, das spiegelt den sonstigen desolaten Zustand der gesellschaftlichen Verhältnisse wider. Das ist der Preis, der für Vorurteile bezahlt wird, was die Gleichbehandlung und Gleichberechtigung von Frauen anlangt – der Preis, der nicht von der Regierung, sondern von den Betroffenen bezahlt wird!

Da ist der Ruf nach einem Karenzgeld für alle – im Verständnis meines unmittelbaren Vorredners – eigentlich blanker Zynismus, wenn nicht auf die sonstigen Einkommensverhältnisse Rücksicht genommen wird.

Sosehr wir es begrüßen würden, wenn es dazu käme, daß ein Sozialsystem eingeführt würde, das auf sinkende Einkommen elastisch reagiert, das dadurch armutsvermeidend ist, daß es ein Existenzminimum unabhängig davon anerkennt, was die betroffene Frau oder der betroffene Mann vorher getan hat oder gerade tut – daß wir uns also zu einer Philosophie der Grundsicherung bekennen –, so wenig haben wir Verständnis dafür, daß eine "Gießkanne" verwendet wird, um sich populär zu machen, statt die Armut zu verhüten.

Daß im übrigen das volkswirtschaftliche Pensionskonto nach wie vor sämtliche Strukturverzerrungen unseres dringend reformbedürftigen Pensionssystems aufzeigt – nämlich die Disproportionalität zwischen Pensionsbeziehern, die Beamte waren, und sonstigen Pensionsbeziehern –, ist selbstverständlich, da Sie keine Pensionsreform gemacht haben.

Ich sage Ihnen das deswegen im Rahmen der heutigen Debatte zum Sozialbericht so deutlich, weil sich der 3. Oktober nicht länger wird aufschieben lassen. Wir hätten gerne so bald wie möglich gewählt, aber wenn es der 3. Oktober sein soll, dann ist es eben dieses Datum. Am 3. Oktober werden wir hoffentlich erleben, daß die Bevölkerung darauf reagiert, daß Sie de facto keine Sozialpolitik machen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Da können Sie gestern im Wege einer vermeintlichen Steuerreform getan haben, was Sie glauben, gerade noch tun zu können – es wird davon nicht ablenken. Diese Steuerreform ist aus meiner Sicht ein Ablenkungsmanöver vom Sozialdesaster. (Abg Koppler: Da sind aber die betroffenen Arbeitnehmer anderer Ansicht!) Selbstverständlich haben Sie dabei die kleineren Einkommen etwas besser abschneiden lassen, aber diejenigen, die im Sozialbericht aufscheinen, nämlich die Arbeitslosengeldbezieher – sie zahlen im übrigen keine Steuern, und sie werden in diesem Sinne von keiner Steuerreform etwas haben –, haben sinkende Zahlen zur Kenntnis zu nehmen. (Abg Koppler: Da sind flankierende Maßnahmen vorgesehen!)

Herr Kollege Koppler, Sie können versuchen, mit Zwischenrufen dagegen anzugehen, aber die Fakten sind eindeutig. Die Betroffenen wissen das auch. Die Zahl der Arbeitslosen sollten Sie – wenn Sie schon sonst keinen Zugang haben – wenigstens dahin gehend beachten, daß das auch Leute sind, die immerhin noch das Stimmrecht haben. Es ist nicht so, daß diejenigen, die sich da oder dort herumschubsen lassen müssen, nebenbei auch schon ihre politischen Rechte verloren hätten. Denken Sie also einmal darüber nach, ob das nicht ein Ablenkungsmanöver ist! Das heißt ja nicht, daß ein Ablenkungsmanöver für sich schon schlecht ist. Nur ist es keine Steuerreform; das wäre eine andere Baustelle.


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