Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 162. Sitzung / 80

vorsitzenden anders dokumentiert wird. Wir Freiheitlichen jedoch haben bereits im Jahre 1992 eine Definition der Armut in Österreich verlangt, seit zwei Jahren liegt sie vor. Und ein erschreckender Punkt darin ist, daß Kinder zu haben in Österreich Armut bedeutet. Wenn Sie auch das mit der kommenden Steuerreform ausgleichen wollen, dann, muß ich sagen, gilt der Vergleich mit dem Raubüberfall und den 10 S, die man zurückzugeben bereit ist, noch viel mehr.

Man hat die Familien 20 Jahre lang zu Unrecht besteuert und gibt ihnen jetzt mit Lobeshymnen einen Bruchteil dessen, was man ihnen vorher weggenommen hat, wieder zurück. Wenn das die Sozialpolitik dieser Regierung ist, dann kann ich nur sagen, sie hat total versagt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nürnberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.33

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Bericht ist sicherlich in einigen Punkten nicht erfreulich, vor allem in der Einkommensentwicklung und aufgrund der Tatsache, daß die Schere zwischen den Einkommen der Frauen und jenen der Männer weiter auseinandergegangen ist. Als einem der Verantwortlichen für die Lohn- und Gehaltspolitik in unserem Lande, der sie auch mitgestalten kann, sei es mir gestattet, einige Bemerkungen zu diesen beiden Punkten zu machen.

Denn so einfach wie Frau Abgeordnete Rauch-Kallat am 5. März in einer Presseaussendung mit dem Titel "An der Einkommenssituation der Frauen sind die Gewerkschaften schuld" kann man es sich nicht machen! In dieser Aussendung heißt es weiter: "Die Gewerkschaften sind diejenigen, die bei den Lohnverhandlungen mitentscheidend mitwirken. Und sie haben es daher auch in der Hand, mehr für die Frauen zu tun." – Wenn es doch so einfach wäre! Da uns dafür die Schuld gegeben wird, muß ich einige Positionen klarstellen.

Zunächst zur Einkommensentwicklung. Die Gewerkschaften insgesamt haben im Rahmen ihrer Kollektivvertragspolitik quer durch alle Branchen in den letzten Jahren gute Abschlüsse erzielen können, die alle sehr wesentlich oder sehr deutlich über der Inflationsrate liegen. Gerade wegen der Abschlüsse des letzten oder der letzten beiden Jahre sind wir kritisiert worden, sie seien zu hoch, sie seien unverantwortlich, wir würden damit die Wirtschaft ruinieren und Arbeitsplätze gefährden! Aber ich will mich nicht weiter darüber auslassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines unserer Hauptprobleme ist die zurückgehende Lohnquote. Etwas mehr als eine Million Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wechselt jährlich den Arbeitsplatz, der Lohn und das Gehalt, den beziehungsweise das sie vom neuen Dienstgeber bekommen, ist jedoch in 99 Prozent der Fälle niedriger als jener/jenes in der alten Beschäftigung.

Wir können Zahlen auf den Tisch legen, denen zufolge die Differenz zwischen den kollektivvertraglichen Mindestlöhnen und den tatsächlichen Ist-Löhnen in den letzten Jahren rückläufig ist, also in genau jenem Zeitraum, geschätzte Frau Bundesministerin, in dem auch die Lohnquote wieder rückläufig ist. Aber jene Lohnerhöhungen, die wir erreichen können, können nie so hoch sein, daß diese Rücknahme der Überzahlungen aufgefangen wird.

Und nun zum Unterschied zwischen dem Einkommen der Frauen und jenem der Männer. Es gibt in Österreich seit vielen, vielen Jahren, ich darf sagen seit Jahrzehnten, in keinem einzigen Kollektivvertrag mehr – und wir haben an die 600 Kollektivverträge – eine eigene Frauenlohngruppe. Es sind alle abgeschafft worden! Und den Gewerkschaften gelingt es immer wieder, auch die letzten Lohngruppen, in welche viele Unternehmen die Frauen zu Unrecht einreihen, zu streichen, damit die Frauen zu einem höheren Verdienst kommen. (Abg. Haller: Wie ist es bei der bereinigten Lohnquote? Wo bleibt da die Gewerkschaft?)


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