Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 162. Sitzung / 85

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dolinschek. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.51

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Der Bericht zur sozialen Lage ist wie jedes Jahr sehr interessant und aufschlußreich gestaltet, für jeden Sozialpolitiker unbedingt notwendig und eine Fundgrube. Die Daten, die darin über den Arbeitsmarkt, die Einkommenssituation, die Lohnquote, die Arbeitslosenrate, die Kaufkraft und die Verarmung der österreichischen Bevölkerung enthalten sind, zeigen aber, daß eine Kritik an der Sozialpolitik der österreichischen Bundesregierung ganz einfach angebracht ist.

Die Situation am Lehrstellenmarkt ist dadurch gekennzeichnet, daß Ausbildungsplätze durch budgetäre Aufwendungen erkauft worden sind. Zwar sind in den letzten zwei Jahren 1,8 Milliarden Schilling für 4 000 Jugendliche ausgegeben worden, es ist aber nicht gelungen, damit auch langfristig Arbeitsplätze für Jugendliche zu schaffen.

Beim Thema "Entlastung des Faktors Arbeit" geht im Prinzip nichts weiter. Zwei Jahre lang wird bereits über die Entlastung des Faktors Arbeit diskutiert, jetzt ist ein Stillstand eingetreten. Nun gibt es eine Steuerreform! Die Bundesregierung – wir sind ja nicht in der Bundesregierung, wir sind in der Opposition – kündigt zwar, so wie jetzt bei der Steuerreform, immer wieder etwas an, herausgekommen ist in puncto Entlastung des Faktors Arbeit null und nichts!

Der Anstieg der Arbeitslosenrate geht ebenfalls ständig weiter. Wir haben mit Stand 1997 eine Arbeitslosenrate von 7,1 Prozent, wobei zu bemerken ist, daß Frauen von Arbeitslosigkeit etwas stärker betroffen sind als Männer, ebenso die älteren Arbeitnehmer sowie unter diesen wiederum vor allem die Arbeiter.

Ich finde es zum Beispiel nicht mehr zeitgemäß, daß ein Arbeiter, der über 35 Jahre alt ist, nicht mehr in den öffentlichen Dienst eintreten kann. Natürlich wären, bevor man so etwas umsetzt, die entsprechenden Rahmenbedingungen über das Lohnschema und so weiter zu ändern. Aber es müßte doch eine Möglichkeit geben, daß erfahrene Arbeitnehmer, vor allem Arbeiter, im öffentlichen Dienst auch in einem fortgeschrittenen Alter – für mich ist jemand mit 35 oder 40 Jahren noch kein alter Mensch, sondern in den besten Jahren – noch unterkommen.

Unter den Behinderten gibt es 37 470 Personen ohne Beschäftigung. Auch da ist die Rate im Steigen begriffen, gegenwärtig liegt sie bei 16 Prozent. Besonders der öffentliche Dienst zeichnet sich darin aus, daß er seiner Einstellungsverpflichtung nicht nachkommt. In den zwölf Ministerien gibt es 5 444 Pflichtstellen, 2 369 davon sind nicht besetzt, es werden also praktisch 40 Prozent der Stellen nicht besetzt! – Frau Bundesminister! Ich habe jedesmal, wenn ich über Behinderte gesprochen habe, den Appell an Sie gerichtet, auf die Ministerien – Ihr Ministerium erfüllt das ja selbstverständlich, aber andere hinken etwas nach – Druck auszuüben, damit vermehrt Behinderte eingestellt werden.

Wir haben eine steigende Armutsgefährdung zu verzeichnen, die Einkommenssituation in Österreich ist nicht die beste. Überstunden werden immer öfter nicht ausbezahlt, sondern, obwohl im Steigen begriffen, durch Überstundenpauschalen abgegolten. Vor allem im Bereich von Post und Bahn, die ausgegliedert worden sind, werden zwar Mitarbeiter abgebaut, die Zahl der Überstunden jedoch steigt – im Durchschnitt sind in diesen Unternehmen über zehn Überstunden pro Woche und Mitarbeiter zu verzeichnen.

Die Erwerbsquote sinkt, und zwar von 70,5 Prozent im Jahre 1992 auf 69,2 Prozent im Jahre 1997. In Österreich verdienen zirka 9 Prozent der unselbständig Erwerbstätigen unter 12 000 S brutto, das ist ganz einfach zum Leben zuwenig und zum Sterben zuviel! Das Realeinkommen ist um 3,8 Prozent gesunken. Davon sind vor allem die Frauen besonders betroffen. Sie verdienen noch heute 29 Prozent weniger als die Männer. Und auch die Haushalte von Alleinerzieherinnen und Mehrkindfamilien sind durch die derzeitige Situation nicht gerade gut gestellt.


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