Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 162. Sitzung / 116

Herr Minister! Ein letztes Wort noch: Man erhebt in Österreich seit vielen Jahren die Winkelschreiberei systematisch zum Gesetz. Es ist tatsächlich so: Früher war die Winkelschreiberei verpönt – heute tummeln sich im rechtsberatenden Berufsbereich Finanzprokuratur, Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, Mieterbund, Mietervereinigungen und Mieterverband, Gewerkschaften, Kammern, neuerdings auch Wirtschaftstreuhänder. Aber auch Konfliktlösungszentren, wo man in Wirklichkeit Leute beschäftigt, die jahrzehntelang am Markt vorbei produziert wurden – Sozialpädagogen et cetera –, greifen in die rechtsberatenden Berufe ein, genauso wie dies demnächst bei der Mediation, bei den Gleichbehandlungsanwaltschaften und Patientenanwälten der Fall sein wird. Auch Schuldenberatungsstellen im Privatkonkurs und der dritte bevorrechtigte Gläubigerschutzverband, auf den wir noch zu sprechen kommen werden, werden letztendlich im rechtsberatenden Bereich eingesetzt.

Ich meine, wir müssen uns eine moderne Ausbildung und auch ein modernes Berufsbild für Rechtsanwälte überlegen. Letztendlich muß es auch möglich sein, daß Rechtsberatung vom Bürger nur dort gefunden wird, wo der wirkliche Anwalt der Bürger, wo der Experte sitzt. Und das ist in Österreich nach wie vor ausschließlich der Rechtsanwalt. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Abänderungsantrag sowie die eben verlesenen Entschließungsanträge sind ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. Frau Abgeordnete, um 15 Uhr ist eine Dringliche Anfrage aufzurufen. Ihre Redezeit beträgt daher noch 5 Minuten. – Bitte.

14.55

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Berufsrecht für Rechtsanwälte und Notare stand unter den großen Prinzipien der Deregulierung, Liberalisierung und, besonders bei den Rechtsanwälten, der neuen möglichen Gesellschaftsbildungen. Wir haben jetzt ermöglicht, daß es neben den Personengesellschaften, bei denen selbstverständlich jede beteiligte Person selbst die Qualifikation als Anwalt haben muß, auch Kapitalgesellschaften, nämlich GesmbHs, zugelassen sind. Diese sind in Deutschland schon längere Zeit erlaubt und werden in Hinkunft auch in Österreich möglich sein.

Nicht klar geregelt haben wir – und das konnten wir noch nicht – die internationalen Kooperationen, also etwa die Frage, wie das in Hinkunft aussehen wird, wenn sich grenzüberschreitend Gesellschaften bilden oder zusammentun möchten. In dieser Frage wollten wir in dieser Novelle noch keine Regelung treffen, weil wir hier einen internationalen Gleichschritt machen wollen. Es hat keinen Sinn, daß Österreich da präjudiziell bereits etwas vorwegnimmt und das dann womöglich mit unseren Kollegen und mit den Normen im benachbarten Ausland, insbesondere mit jenen der Europäischen Union, kollidiert. Wir wollen ja den rechtsberatenden Berufen da die Tore öffnen – und nicht verschließen.

Mit dieser Debatte ging natürlich auch die Frage der interdisziplinären Kooperation ganz eng einher. Das heißt, daß sich nicht nur Rechtsanwälte zu einer Gesellschaft zusammenschließen können sollen, sondern daß es beispielsweise auch anderen Berufsgruppen möglich sein soll, gemeinsam mit Rechtsanwälten Gesellschaften zu bilden. Die Wirtschaftstreuhänder haben beispielsweise in ihr Gesetz, das wir vergangenes Monat beschlossen haben, aufgenommen, daß solche interdisziplinären Kooperationen möglich sind, daß aber die Wirtschaftstreuhänder die Stimmrechtsmehrheit haben müssen und natürlich auch insgesamt die Mehrheit als beherrschender Faktor vorhanden sein muß.

Hätte man für die Rechtsanwälte eine ähnliche Bestimmung aufgenommen, also die Möglichkeit einer interdisziplinären Kooperation unter der Voraussetzung, daß sie die Mehrheit haben, dann wären damit beide Bestimmungen ad absurdum geführt, denn zwei Mehrheiten gibt es ja nicht. Daher haben wir auch diese Frage noch einmal zurückgestellt, um abzuklären, unter welchen Stimmrechtsregelungen, unter welchen beherrschenden Regelungen und vor allem auch – und


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