Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 162. Sitzung / 165

Ich lasse das österreichische Argument nicht gelten, das da lautet: Je länger die Ausbildungszeit, desto besser die Qualifikation. – Das ist nicht wahr! Denn jene Anwälte, die international den Ton angeben – das muß man leider sagen –, sind nicht die Österreicher, das sind keine österreichischen Anwälte. Und die Anzahl der österreichischen Anwälte, die international tätig sind, und zwar nicht nur für ausländische Klienten am Markt Österreich, sondern wirklich international tätig sind, ist gering. Man kann sich aber nicht einfach abschotten und sagen: Wir bauen Barrieren auf, so weit es geht, und schotten uns gegenüber der Internationalität ab. – Das ist der falsche Weg! Daher bin ich auch für eine Verkürzung der Ausbildungszeit.

Wenn jemand Jus studiert, das Gerichtsjahr absolviert und dann mehrere Jahre bei einem Anwalt tätig ist, dann muß das genügen, denn wenn er es dann noch nicht kann, ist er ohnedies nicht geeignet und wird sich auch am Markt nicht durchsetzen.

Wenn man heute 30, 31, 32 Jahre alt sein muß, um sich selbständig zu machen, ohne daß man auch nur ein halbes Semester lang im Ausland tätig war, etwa in einer International Business School, dann wird man am Markt nicht bestehen! Insgesamt ist das eine negative Reglementierung! Sie mag zwar im Interesse von manchen Anwälten von heute sein, ist aber nicht im Interesse der Anwälte von morgen und schon gar nicht im Interesse des Wirtschaftsstandortes Österreich. – Der große Wurf ist also leider nicht geglückt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Justizminister! Wir hatten im Ausschuß auch noch eine Debatte über die Autonomie. Als freier Anwalt bekenne ich mich zu dieser Berufsautonomie, die nicht zuletzt ein Ausfluß der revolutionären Bestrebungen des Jahres 1848 ist. Aber eine Autonomie darf sich nicht auf einen Selbstzweck reduzieren, so wie das schon einmal der Fall war, als die Anwaltschaft die Ausbildungszeit ganz einfach auf sieben Jahre angehoben hat, um den Zugang zum Anwaltsberuf prohibitiv zu gestalten. Das kann nicht im Sinne der Autonomie sein!

In einem Punkt sind wir uns einig: Wenn man einer Berufsgruppe – und ich bekenne mich zur Autonomie, das habe ich bereits erwähnt – die Autonomie gibt, dann muß diese Autonomie nach den Spielregeln der Demokratie wahrgenommen werden. Denn nur dann ist diese Autonomie gerechtfertigt.

Herr Bundesminister! Diese Spielregeln, so scheint es mir, werden durch die revolvierende Besetzung der Ausschußpositionen in den einzelnen Länderkammern verletzt. Lassen Sie mich das anhand eines Beispieles darlegen.

In Oberösterreich wird die Anwaltschaft durch den Ausschuß vertreten. Der Ausschuß besteht aus 15 Mitgliedern, darunter ein Präsident und zwei Vizepräsidenten. Es kommt bei den Kammerwahlen aber nicht etwa dazu, daß sich in einem Wahlgang alle der Wahl oder der Wiederwahl zu stellen haben, sondern es kommt durch die revolvierende Nachbesetzung zu dem kuriosen Ergebnis, daß zwar in jedem Jahr eine Wahl stattfindet, zu der aber nicht etwa alle zur Wahl oder Wiederwahl antreten, sondern nur die jeweils Ausgeschiedenen oder jene, die nicht mehr antreten wollen.

Das heißt, es sind etwa ein Präsidiumsmitglied und drei Ausschußmitglieder neu zu wählen. Und die anderen empfehlen natürlich die Kollegen. Das ist nichts anderes als ein wechselseitiges Empfehlungskartell! Das hat aber mit einer Demokratie, mit einer Basisdemokratie, nicht das geringste zu tun.

Wir Freiheitlichen stellen daher einen entsprechenden Antrag, und es wird sich weisen, ob die große Koalition oder die Kollegen von den anderen Oppositionsparteien auch diese Einstellung zur Demokratie aufbringen, die notwendig ist.

Wir stellen den folgenden Antrag:


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