Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 164. Sitzung / 54

Kommission, Einfluß auf die Preise zu nehmen, de facto aufgegeben worden sind. Mit anderen Worten, es hat sich auch in Österreich spät, aber doch die Einsicht durchgesetzt, daß ein funktionierender Wettbewerb die einzige Garantie für – unter Anführungszeichen – "faire" Preise darstellt.

Es bleiben aber Bereiche übrig, in denen dieser Wettbewerb anscheinend nicht funktioniert, wie zum Beispiel die Mineralölwirtschaft. Dafür gibt es die klassischen Instrumente, die in Österreich allerdings nie entwickelt worden sind. Was Sie aber entwickeln, ist ein Nacht-und-Nebel-Angriff mit Hilfe der Verfassung. Das ist unglaublich: ein Nacht-und-Nebel-Angriff auf die Preise! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Noch einmal: Die Grünen stehen nicht in dem Verdacht, sich täglich mit Herrn Generaldirektor Schenz zum Kaffee zu treffen. Wir tun es hin und wieder, das ist nicht zu leugnen. Aber haben Sie sich überlegt, wie es weitergeht? Sie machen jetzt einen Eingriff in die Preise – und dann?

Die OPEC zum Beispiel kann Ihnen ein Lied davon singen, wie es ist, wenn man zuerst in die Mengen eingreift und sich dann die Frage stellt: Was ist mit den Preisen? – Sie können nicht einerseits in die Preise eingreifen und andererseits glauben, daß die Mengen davon völlig unbeeinflußt bleiben. Im Klartext: Was tun Sie, wenn die OMV zum Beispiel eine Tankstelle zusperrt? Machen Sie dann das nächste Verfassungsgesetz?

Die OMV hat sich meiner Erinnerung nach anläßlich der Börseneinführung "Österreicher mit Verantwortung" genannt; dafür sollte das Kürzel "OMV" stehen. Ich darf Sie daran erinnern, daß das ursprünglich "Österreichische Mineralölverwaltung" hieß.

Wenn Sie so weitermachen – ich schaue dabei Sie an, Frau Tichy-Schreder, und frage Sie: Ist das die Politik der früheren Wirtschaftspartei ÖVP? –, dann werden Sie an jeder Tankstelle bald einen Beamten haben, der dort die Gebühr einhebt, die Sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, wieder mit Zweidrittelmehrheit, zwischen einem soundsovielten März und dem nächsten Tag beschlossen haben. Das ist Ihre Politik, das ist Ihr Konzept? – Das ist unfaßbar! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Was Sie erzielen werden – einer meiner Vorredner hat das dankenswerterweise schon ausgeführt –, das ist Beschäftigungstherapie, das ist Beschäftigungspolitik für Juristen. Das schaue ich mir an! Da werden Kommissionen tagen, da werden Bescheide erlassen werden, da werden die Bescheide bekämpft werden, da wird zum Verwaltungsgerichtshof gegangen werden – die ganze Leiter hinauf und hinunter! Das prophezeie ich Ihnen: ein Riesenverwaltungsapparat für nichts, das wird passieren.

Nur ein kleines Detail am Rande: Die OMV beruft sich derzeit darauf – das teile ich Ihnen ganz leidenschaftslos mit –, daß die Preise für Brent Oil im März um 34 Prozent gestiegen sind. Jetzt werden Sie das Vergnügen haben, nachzuprüfen, ob das stimmt, wie das mit anderen Daten übereinstimmt et cetera.

Die einzige Lösung dieses Konflikts ist die Herstellung von Wettbewerb am Markt. Aber das schaffen Sie anscheinend nicht. Wenn Sie glauben, mit einer Zweidrittelmehrheit und Verfassungsgesetzen – unter Anführungszeichen – "faire" Bedingungen herstellen zu können, dann kann ich nur sagen: Sie werden sich irren!

Vielleicht gibt es in diesem Fall ein Politikversagen, vielleicht gibt es ein Versagen des Wirtschaftsministers. Das kann schon sein. Aber das ist doch, bitte, nicht der Staatsnotstand! Das ist vielleicht ein Rücktrittsgrund, das ist vielleicht ein Anlaß dafür, sich zu überlegen, ob das wirklich die beste Wahl war – das mag sein. Aber das ist kein Grund, den Staatsnotstand auszurufen und um Mitternacht mit Verfassungsgesetzen hineinzufahren! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Das schaffen Sie: aus einem vergleichsweise unwichtigen Anlaß eine Art Notstandsgesetzgebung durchzuführen, die verfassungsrechtlichen Verfahrensprinzipien Hohn spricht!


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite